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Erde.
den. Beim Suchen nach der Fixsternpar-
allare wurde aber, und zwar lange ehe
man diese fand, auch noch eine andre Er
scheinung entdeckt, die für sich allein schon
einen Beweis für die Bewegung der E.
um die Sonne liefert: die Aberration.
Beide Erscheinungen, die Aberration und
die Firsternparallare, sind direkte Beweise
für diese Bewegung, die übrigens weniger
Zweifeln ausgesetzt war, seit das Fernrohr
in dem Jupiter mit seinen Monden ein
BilddesKopernikanischenPlanetensystems
im kleinen kennen gelehrt hatte.
6) Auch für die andre Bewegung der
E., die Rotation um ihre Achse, fehlte es
anfangs an Beweisen. Einen solchen lie
ferte erst die Beobachtung Richers in
Cayenne 1672, daß seine in Paris genau
regulierte Uhr täglich um ungefähr 2Va
Minuten nachging, und daß eine Verkür
zung des Sekundenpendels um 5 U Pariser
Linien notwendig war, um einen richtigen
Gang der Uhr herzustellen. Als dann die
selbe Uhr nach der Rückkehr nach Paris
täglich um 148 Sekunden voreilte und
wieder eine Verlängerung des Pendels
notwendig wurde, erklärte Newton die
Erscheinung durch eine Verminderung der
Schwere am Äquator, hervorgerufen durch
die bei der Drehung der E. um ihre Achse
entwickelte Zentrifugalkraft, die dort an
sich größer ist als in höhern Breiten, weil
jeder Punkt am Äquator im Laufe von
24Stunden einengrößern Kreis beschreibt
als weiter nördlich oder südlich, und die
außerdem am Äquator mit ihrem ganzen
Betrag der Schwere entgegenwirkt, wäh
rend in höhern die in der Ebene des Par-
allelkreiseS wirkende Zentrifugalkraft mit
der Schwere einen Winkel bildet, welcher
der geographischen Breite gleich ist. New
ton'wurde dadurch zu der Überzeugung
von einer elliptischen Krümmung des Erd
meridians und einer an den Polen abge
platteten Form unsers Planeten geführt,
welche Ansicht auch im folgenden Jahr
hundert durch die Gradmessungen in Lapp
land und Peru bestätigt wurde. Vgl.
Gradmessungen.
7) Ein Haupteinwand, der gegen die
Rotation der E. erhoben wurde, nament
lich von Tycho Brahe und von dem ge
lehrten Jesuiten Riccioli, war der, daß
bei einer Drehung der E. um ihre Achse
ein frei fallender Körper nicht senkrecht
unter seinem Ausgangspunkt, sondern
westlich von demselben auf die Erde kom
men müßte, weil die letztere während des
Falles sich ein Stück nach O. drehe. Bei
Fallversuchen, die Riccioli 1640 an einem
Turm zu Bologna anstellte, hatte er von
einer solchen Abweichung nichts wahr
nehmen können. Auch M e r s e n u e, ein
Anhänger der Kopernikanischen Lehre, und
Moutier stellten darauf bezügliche Ver
suche an, indem sie aus senkrecht in die
E. gegrabenen Kanonen Kugeln abschös
sen. Wie nicht anders zu erwarten, liefer
ten dieselben keinerlei Entscheidung: eine
Kugel konnte gar nicht wieder gesunden
werden, eine andre fand man in 1800
Fuß Entfernung südwestlich, eine dritte
2200 Fuß weit östlich rc.
Der ganze Einwand ist indessen falsch,
wie zuerst Newton zeigte. Denn an der
Bewegung der E. nehmen auch alle zu
ihr gehörigen Körper teil; da nun ein in
größerer Höhe befindlicher Punkt weiter
vom Erdmittelpunkt entfernt ist als der
senkrecht unter ihm befindliche Punkt der
Erdoberfläche, so beschreibt jener in 24
Stunden einen größern Weg als der letz
tere, die Geschwindigkeit des erstern ist da
her größer als die des letztern. Wenn nun
aus dem höher liegenden Punkt ein Kör
per herabfällt, so behält er die seinem Aus
gangspunkt entsprechende größere Ge
schwindigkeitwährend des FaÜesbei, ereilt
daher dem senkrecht unter dem Ausgangs
punkt liegenden Punkte derE.in der Rich
tung nach O. voraus, und er muß deshalb,
statt westlich von demselben, wie Riccioli
dachte, gerade umgekehrt weiter östlich auf
die Erde fallen. Zur Prüfung dieser Theo
rie veranlaßte Newton 1679 die Königliche
Gesellschaft in London, unter Leitung von
Hooke Versuche anzustellen, die indessen
erfolglos blieben, schon weil die gewählte
Fallhöhe von 27 Fuß zu klein war.
Ebensowenig Erfolg hatten die Fall
versuche, welche der Professor Guliel-
mini im Sommer 1791 im Turm äei
asmelli in Bologna anstellte; letzterer bot
allerdings in seinem Innern 240 Fuß