Full text: Lexikon der Astronomie

Finsternisse (Sonnenfinsternisse). 151 
die Sonne, und die Finsternis ist total, 
wie L zeigt. 
In Fig. 6 endlich ist die Finsternis für 
einen Beobachter in G eine ringförmige, 
wie bei L dargestellt; eine solche kann für 
einen Ort höchstens etwa 12 Minuten 
dauern. 
Wenn in den beiden letzten Fällen der 
Beobachtungspunkt in die verlängerte Ver 
bindungslinie der Mittelpunkte vonSonne 
und Mond fällt, wie in Fig. 5 und 6, so 
wird die Finsternis zentral. 
10) Von besonderm Interesse ist die Ver 
schiedenheit des Anblicks einer Sonnen 
finsternis in verschiedenen Gegenden der 
Erde. Die Zone, in welcher der Kern 
schatten des Mondes die Erde trifft, und 
wo also die Finsternis total ist, hat, wenn 
sie in äquatoriale Gegenden fällt, eine 
Breite von höchstens etwa 220 km (30 
Meilen); fällt der Schatten aber in po 
lare Regionen, so kann seine Breite gegen 
1500 km (200 Meilen) erreichen. Die 
Längenausdehnung dieser Zone der Tota 
lität beträgt nicht selten Tausende von 
Meilen. Bei der Finsternis vom 18. Aug. 
1868 reichte dieselbe von einem Punkt 
in Abessinien in 53° 33' östl. L. v. F. 
und 11° 8' nördl. Br., wo die Sonne um 
4 Uhr 20 Min. mittlere Berliner Zeit 
verfinstert aufging, bis zu den Neuen 
Hebriden, 181° 4' östl. L. und 16° 14' südl. 
Br., wo die Sonne um 9 Uhr 45 Min. 
verfinstert unterging; die größte Dauer 
der totalen Verfinsterung, 6 Min. 50 
Sek., trat im Golf von Siam ein. 
Östlich und westlich sowie nördlich und 
südlich von dieser Zone der Totalität lie 
gen nun Regionen, in denen die Finster 
nis nur partiell erscheint und zwar um 
so schwächer, je größer die Entfernung von 
jener Zone ist. Die äußerste Grenze im 
W. bilden die Punkte, welche das Ende 
der Finsternis bei Sonnenaufgang sehen, 
östlich diejenigen, bei denen die Finsternis 
bei Sonnenuntergang anfängt. Die ganze 
Dauer einer Sonnenfinsternis für die Erde 
überhaupt kann etwa 7 Stunden betragen. 
Trifft nicht der Kernschatten selbst, son 
dern nur die Verlängerung seiner Achse 
die Erde, so tritt an die Stelle der totalen 
eine ringförmige Finsternis, und wenn 
der Kernschatten bei der Erde vorbeigeht, 
so daß diese in höhern nördlichen oder süd 
lichen Breiten nur vom Halbschatten ge 
troffen wird, so ist die Finsternis über 
haupt nur partiell. 
11) Die Erscheinungen, welche sich bei 
einer totalen Sonnenfinsternis darbieten, 
sind so ausfallend und großartig, daß wir 
uns nicht wundern dürfen, wenn unge 
bildete Volksmassen bei ihrem Anblick von 
Angst und Schrecken erfüllt werden; ma 
chen sie doch selbst auf das Gemüt von Astro 
nomen, welche mehrmals dieses Schau 
spiel erlebt, immer aufs neue wieder einen 
tiefen Eindruck. 
Von dem Augenblick an, wo die dunkle 
Mondscheibe die Mitte der Sonne erreicht 
hat, nimmt das Licht der Sonne merklich 
ab, und wenn der Beginn der Totalität 
herannaht, erfolgt diese Abnahme so rasch, 
daß sie einen erschreckenden Eindruck auf 
den Beobachter inacht. Alle Gegenstände 
nehmen eine andre, düstere Färbung an: 
das Grün der Vegetation wird mehr grau, 
die höhern Gegenden des Himmels er 
scheinen bleigrau, während den Horizont 
ein grünliches Gelb umsäumt, die Gesich 
ter der Menschen werden leichenfarbig. 
Dabei sinkt das Thermometer beständig 
und erreicht seinen tiefsten Stand erst ein 
wenig nach dem Ende der totalen Finster 
nis. Von einem günstigen Standort kann 
man auch den Mondschatten wie eine 
düstere Wolke über die Erde heranziehen 
sehen. In den letzten Augenblicken vor 
der Totalität erscheint die Sonnensichel 
nur noch als dünner Lichtfaden, der sich 
bisweilen infolge der Unebenheiten des 
Mondrands in einzelne Lichtpunkte auf 
löst und endlich ganz verschwindet. In 
diesem Augenblick ändert sich der Anblick 
der Erscheinung plötzlich: an dem blei 
grauen Himmel erblickt man eine voll 
ständig schwarze Scheibe, die oft bis auf 
Vollmondbreite umgeben ist von einer sil 
berweißen Lichtkrone, aus der nicht selten 
Strahlenbüschel von beträchtlicher Länge 
hervorschießen; es ist dies die sogen. Ko 
rona, von welcher schon Maraldi be 
hauptete , daß sie der Sonne selbst ange 
höre. Am Rande des Mondes selbst aber 
gewahrt man oft schon mit bloßem Auge
	        
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