Full text: Lexikon der Astronomie

178 
Gradmessungen (lappländische und peruanische). 
Teil; die Messungen in diesem südlichen 
Teil wurden später von Jacques Cassini 
fortgesetzt und vollendet. Als 1718 die Ar 
beiten beendet waren, stellte sich, entgegen 
der Newtonschen Theorie, die Größe eines 
Meridiangrads nördlich von Amiens zu 
56,960 Toisen, dagegen südlich von Paris 
zu 57,097 Toisen heraus. Die Folge da 
von war, daß die Franzosen fortan die 
Erde als ein in Richtung der Achse ver 
längertes Sphäroid betrachteten, während 
die englischen Gelehrten Zweifel gegen die 
Nichtigkeit und Zuverlässigkeit der Mes 
sungen in Frankreich erhoben. Der hier 
über eine längere Reihe von Jahren hin 
durch und teilweise mit ziemlicher Erbit 
terung geführte Streit fand erst in den 
30er Jahren des vorigen Jahrhunderts 
seinen Abschluß. 
Nachdem man nämlich erkannt hatte, 
daß angesichts der Unsicherheit derartiger 
Arbeiten nur durch Vergleichung von^Mes 
sungen in sehr hohen Breiten und in der 
Nähe des Äquators eine Entscheidung her 
beigeführt werden könne, veranstaltete die 
französische Regierung zwei Expeditionen, 
von denen die eine nach Lappland, die 
andre nach dem tropischen Amerika ging, 
um dort Meridianbogen zu messen. 
An der Spitze der lappländischen Ex 
pedition stand der Akademiker Mauper- 
tuis, dem noch Clairaut, Camus, 
Lemonnier und Outhier beigegeben 
waren; als Freiwilliger schloß sich noch 
Celsius aus Upsala an. Die Expedition 
ging 1736 ab und begann ihre Arbeiten 
6. Juli d. I. in der Nähe von Tornea am 
Bottnischen Meerbusen. Rasch wurde ein 
Dreiecknetz nordwärts in einer Ausdeh 
nung von 57' 27" im Sinn des Meridians 
gelegt, dann im Winter bei grimmiger 
Kälte und tiefem Schnee auf dem zuge- 
frornen Torneafluß eine Grundlinie von 
7408 Toisen 5 Fuß gemessen, und schon 
im nächsten Frühjahr hatte man das Re 
sultat, daß 1° in der mittlern Breite von 
66°20' die Größe von 57,438 Toisen habe, 
also erheblich größer sei als in Frankreich. 
Am 13. Nov. 1737 teilte Maupertuis der 
Pariser Akademie dieses Ergebnis mit, und 
nun war auch in Frankreich kein Zweifel 
mehr darüber, daß die Erde an den Polen 
abgeplattet sei. Veranlaßt durch denbeißen- 
den Spott Mauvertuis', unternahmen 
auch die Pariser Astronomen Cassini de 
Thury und Lacaille in den nächsten 
Jahren (1739 und 1740) eine Revision 
der Gradmessung in Frankreich, durch 
welche das der Theorie widersprechende 
Resultat, daß südlich von Paris der Me 
ridiangrad größer sein sollte als weiter- 
nördlich, beseitigt und für den Grad in 
45° mittlerer Breite die Größe von 57,012 
Toisen erhalten wurde. 
Während so Maupertuis sich des 
Triumphs erfreute, eine lange schwebende 
Frage zur Entscheidung gebracht zu haben, 
war die südamerikanische Expedition noch 
immer mit ihren Arbeiten beschäftigt. An 
ihr beteiligten sich die französischen Aka 
demiker Bouguer und La Condamine 
und der Astronom Godin sowie die bei 
den spanischen Offiziere Don Jorge Juan 
y Santacilia und Don Antonio de 
Ul loa; als Botaniker ging Joseph In s- 
sieu mit, ein älteres Mitglied der be 
rühmten Botanikerfamilie. Nachdem sie 
16. Mai 1735 Europa verlassen hatten, 
erreichten sie über Panama 13. Juni des 
nächsten Jahrs Quito, ihr Hauptquar 
tier. Die Messungsarbeiten in dem un 
ebenen Hochland zwischen den beiden Käm 
men der Anden waren mit großen Schwie 
rigkeiten verbunden, wurden aber mit 
ungleich größerer Umsicht und Sorgfalt 
ausgeführt als bei der lappländischen 
Gradmessung. Im Herbst 1736 (3. Qkt. 
bis 3. Nov.) wurde in der Nähe von Quito 
eine erste Basis von 6272Toisen gemessen, 
drei Jahre darauf (im August 1739) aus 
der Ebene von Tarqui, am Südende der 
Dreieckskette, eine Prüfungslinie von 6272 
Toisen, deren gemessene Länge mit der 
aus dem Dreiecknetz berechneten nach Bou 
guer auf 3—4 Fuß , nach La Condamine 
bis aus 1 Toise übereinstimmte. Das 
ganze Dreiecknetz erstreckte sich von einem 
Punkt bei Cotschesqui, wenige Bogen 
minuten nördlich vom Äquator, in einer 
meridionalen Ausdehnung von 3° 7' 1" 
nach S. Als Endergebnis stellte sich die 
Größe des Meridiangrads in Peru für 
1° 31' mittlerer südlicher Breite zu 56,734 
Toisen heraus.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.