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Gradmessungen (lappländische und peruanische).
Teil; die Messungen in diesem südlichen
Teil wurden später von Jacques Cassini
fortgesetzt und vollendet. Als 1718 die Ar
beiten beendet waren, stellte sich, entgegen
der Newtonschen Theorie, die Größe eines
Meridiangrads nördlich von Amiens zu
56,960 Toisen, dagegen südlich von Paris
zu 57,097 Toisen heraus. Die Folge da
von war, daß die Franzosen fortan die
Erde als ein in Richtung der Achse ver
längertes Sphäroid betrachteten, während
die englischen Gelehrten Zweifel gegen die
Nichtigkeit und Zuverlässigkeit der Mes
sungen in Frankreich erhoben. Der hier
über eine längere Reihe von Jahren hin
durch und teilweise mit ziemlicher Erbit
terung geführte Streit fand erst in den
30er Jahren des vorigen Jahrhunderts
seinen Abschluß.
Nachdem man nämlich erkannt hatte,
daß angesichts der Unsicherheit derartiger
Arbeiten nur durch Vergleichung von^Mes
sungen in sehr hohen Breiten und in der
Nähe des Äquators eine Entscheidung her
beigeführt werden könne, veranstaltete die
französische Regierung zwei Expeditionen,
von denen die eine nach Lappland, die
andre nach dem tropischen Amerika ging,
um dort Meridianbogen zu messen.
An der Spitze der lappländischen Ex
pedition stand der Akademiker Mauper-
tuis, dem noch Clairaut, Camus,
Lemonnier und Outhier beigegeben
waren; als Freiwilliger schloß sich noch
Celsius aus Upsala an. Die Expedition
ging 1736 ab und begann ihre Arbeiten
6. Juli d. I. in der Nähe von Tornea am
Bottnischen Meerbusen. Rasch wurde ein
Dreiecknetz nordwärts in einer Ausdeh
nung von 57' 27" im Sinn des Meridians
gelegt, dann im Winter bei grimmiger
Kälte und tiefem Schnee auf dem zuge-
frornen Torneafluß eine Grundlinie von
7408 Toisen 5 Fuß gemessen, und schon
im nächsten Frühjahr hatte man das Re
sultat, daß 1° in der mittlern Breite von
66°20' die Größe von 57,438 Toisen habe,
also erheblich größer sei als in Frankreich.
Am 13. Nov. 1737 teilte Maupertuis der
Pariser Akademie dieses Ergebnis mit, und
nun war auch in Frankreich kein Zweifel
mehr darüber, daß die Erde an den Polen
abgeplattet sei. Veranlaßt durch denbeißen-
den Spott Mauvertuis', unternahmen
auch die Pariser Astronomen Cassini de
Thury und Lacaille in den nächsten
Jahren (1739 und 1740) eine Revision
der Gradmessung in Frankreich, durch
welche das der Theorie widersprechende
Resultat, daß südlich von Paris der Me
ridiangrad größer sein sollte als weiter-
nördlich, beseitigt und für den Grad in
45° mittlerer Breite die Größe von 57,012
Toisen erhalten wurde.
Während so Maupertuis sich des
Triumphs erfreute, eine lange schwebende
Frage zur Entscheidung gebracht zu haben,
war die südamerikanische Expedition noch
immer mit ihren Arbeiten beschäftigt. An
ihr beteiligten sich die französischen Aka
demiker Bouguer und La Condamine
und der Astronom Godin sowie die bei
den spanischen Offiziere Don Jorge Juan
y Santacilia und Don Antonio de
Ul loa; als Botaniker ging Joseph In s-
sieu mit, ein älteres Mitglied der be
rühmten Botanikerfamilie. Nachdem sie
16. Mai 1735 Europa verlassen hatten,
erreichten sie über Panama 13. Juni des
nächsten Jahrs Quito, ihr Hauptquar
tier. Die Messungsarbeiten in dem un
ebenen Hochland zwischen den beiden Käm
men der Anden waren mit großen Schwie
rigkeiten verbunden, wurden aber mit
ungleich größerer Umsicht und Sorgfalt
ausgeführt als bei der lappländischen
Gradmessung. Im Herbst 1736 (3. Qkt.
bis 3. Nov.) wurde in der Nähe von Quito
eine erste Basis von 6272Toisen gemessen,
drei Jahre darauf (im August 1739) aus
der Ebene von Tarqui, am Südende der
Dreieckskette, eine Prüfungslinie von 6272
Toisen, deren gemessene Länge mit der
aus dem Dreiecknetz berechneten nach Bou
guer auf 3—4 Fuß , nach La Condamine
bis aus 1 Toise übereinstimmte. Das
ganze Dreiecknetz erstreckte sich von einem
Punkt bei Cotschesqui, wenige Bogen
minuten nördlich vom Äquator, in einer
meridionalen Ausdehnung von 3° 7' 1"
nach S. Als Endergebnis stellte sich die
Größe des Meridiangrads in Peru für
1° 31' mittlerer südlicher Breite zu 56,734
Toisen heraus.