Full text: Lexikon der Astronomie

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Gradmessungen (Resultate). 
gen zu nennen, durch welche die Länge 
des einfachen Sekundenpendels an verschie 
denen Punkten der Erde und daraus die 
Intensität der Schwerkraft gefunden wor 
den ist, aus der sich dann mittels des 
Clairautschen Gesetzes (f. b.) die Ab 
plattung berechnen läßt. Auf diese Weise 
hat sich nun ein merklich größerer Wert 
der Abplattung ergeben als auö den G. 
So fand Sabine aus den eignen und 
Kapitän Katers Beobachtungen zwischen 
0° und 80° nördl. Br. V288, 4 , und Baily 
leitete aus Beobachtungen Kapitän Fo- 
sters zwischen 10° nördl. und 63° sudl. 
Br. den Wert Vr8»,z ab. 
Das dritte Verfahren zur Bestimmung 
der Abplattung der Erde rührt von dem 
französischen Astronomen Laplace her 
und gründete sich auf die Störungen, 
welche die Erde infolge ihrer Abweichung 
von der Kugelgestalt in der Bewegung des 
Mondes verursacht. Dieses Verfahren ver 
bindet mit dem Vorzug, daß ein Astro 
nom, ohne seine Sternwarte zu verlassen, 
in der Bewegung eines Himmelskörpers 
die individuelle Gestalt der Erde, seines 
Wohnsitzes, lesen kann, noch den andern, 
daß man auf diese Weise einen m i t t l e rn 
Wert erhält, der unabhängig ist von der 
zufälligen Wahl dieses oder jenes Meri 
dians. Laplace fand auf diese Art für 
die Abplattung anfänglich (mit den ältern 
Tafeln von Bürg) V3»4,z, später (nach 
den Mondbeobachtungen von Bouvard 
und Burckhardt) Vsos. 
18) So wesentlich nun auch diese Zahlen 
voneinander abweichen, so repräsentieren 
die Unterschiede doch nur verhältnismäßig 
unbedeutende Höhen. Nehmen wir die 
beiden Werte V280 und V306, so entspricht 
der erste, unter Annahme des Besselschen 
Werts von a, einer Höhe von 22,776 m, 
der zweite aber einer solchen von 20,841 
m; der Unterschied beträgt 1935 m, also 
noch nicht die doppelte Höhe des Brockens 
(1143 in). Immerhin aber ist bei dein 
heutigen Stande der Beobachtungskunst 
ein engerer Anschluß der Theorie an die 
Beobachtungen zu erwarten, wenn die 
erstere als genügend zu erachten sein soll. 
Man muß daher die Annahme, daß die 
Erdoberfläche, das will sagen, die unter 
den: Festland fortgesetzt zu denkende Mee 
resoberfläche, in aller Strenge ein regel 
mäßiges Rotationsellipsoid sei, fallen las 
sen. Diese Annahme gründete sich ailf theo 
retische Untersuchungen über die Gleich 
gewichtsform einer gleichförmig dichten 
flüssigen Masse, deren kleinste Teilchen 
sich nach dem Newtonschen Gravitations 
gesetz anziehen, während die ganze Masse 
sich mit konstanter Winkelgeschwindigkeit 
um eine Achse dreht. Es hat nun zuerst 
der britische Mathematiker Maclau rin 
1742 den Nachweis geliefert, daß ein 
Rotationsellipsoid den Bedingungen des 
Gleichgewichts genügt, und wesentlich auf 
dasselbe Resultat beschränken sich auch die 
Ergebnisse der scharfsinnigen analytischen 
Untersuchungen von Lagrange (1773), 
Laplace (1783 und später) und Jvory 
(1831 und später). Während aber diese 
Untersuchungen nur zeigten, daß das ab 
geplattete Sphäroid die Gleichgewichtsfigur 
sein könne, gewöhnte man sich daran, in 
ihm die einzig mögliche solche Figur zu 
erblicken, und es erregte daher in den Krei 
sen der Mathematiker kein geringes Er 
staunen, als 1834 K. G. I. Jacobi 
darauf aufmerksam machte, daß auch das 
dreiachsige Ellipsoid eine mögliche Gleich 
gewichtsfigur sei, ein Resultat, das ei 
gentlich schon von Jvory begründet, aber 
vernachlässigt und durch einen falschen 
Schluß beiseite geschoben worden war. 
Hieraus sieht man, daß den Versuchen, 
die Ergebnisse der G. durch ein dreiachsi 
ges Ellipsoid darzustellen, theoretische Be 
denken nicht entgegenstehen. Doch ist der 
artigen Berechnungen, wie sie 1859 von 
dem russischen General v. Schubert 
und 1878 von dem englischen Obersten 
Clarke veröffentlicht worden sind, kein 
sonderliches Gewicht beizulegen, da eine 
weit größere Zahl von Messungen nötig ist, 
um ein in den Verschiedenheiten der Me 
ridiane ausgesprochenes Gesetz mit Zuver 
lässigkeit zu erkennen. Man hält daher 
im ganzen noch an der Ansicht fest, daß die 
Erde ein abgeplattetes Rotationsellipsoid 
ist, daß aber zahlreiche, durch Lotablen 
kungen zu konstatierende lokale Abweichun 
gen, wellen- und mandelförmige Erhöhun 
gen und Vertiefungen vorhanden sind.
	        
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