Full text: Lexikon der Astronomie

186 Gradmessungen (europäische Gradmessung). 
Die europäische Gradmcsjung. 
19)Um nun eine möglichst genaucKennt- 
nis von der Gestalt der Erdoberfläche im 
mittlern Europa und den angrenzenden 
Meeresteilen zu erhalten, machte der 
preußische General v. Bäyer in einer 
1861 veröffentlichten Schrift: »Über die 
Figur und Größe der Erde«, den Vor 
schlag zu einer mitteleuropäischen 
Gradmessung. Es handelte sich im we 
sentlichen um eine von Drontheim bis 
Palermo reichende Meridianbogenmes- 
sling, die durch Längengradmessungen mit 
der russischen und französischen Meri 
dianmessung verbunden werden sollte. 
Die Wahl Mitteleuropas wurde besonders 
dadurch veranlaßt, daß hier eine große 
Anzahl von Sternwarten vorhanden sind, 
deren Mitwirkung zu astronomischen Orts 
bestimmungen wie zu Triangulierungö- 
arbeiten höchst ersprießlich zu werden ver 
sprach. Auch waren die Landaufnahmen 
hier überall weit vorgeschritten und boten 
eine Menge Material, das nur auf seine 
Genauigkeit zu prüfeu und zu verarbei 
ten war. 
Der Vorschlag Bäyers fand bei den ver 
schiedenen Regierungen bereitwilliges Ent 
gegenkommen, und schon im April 1862 
erfolgte eine Zusammenkunft preußischer, 
österreichischer und sächsischer Kommissare 
in Berlin; im Oktober 1864 aber wurde 
in Berlin die erste allgemeine Konferenz 
abgehalten, an welcher sich 14 Staaten 
durch 34 Vertreter beteiligten, und auf 
welcher die Organisation des ganzen Un 
ternehmens im wesentlichen festgestellt 
wurde. Auf der zweiten allgemeinen Kon 
ferenz, die im Oktober 1867 in Berlin 
stattfand, wurde der Name »europäische 
Gradmessung« für das Unternehmen adop 
tiert, dem inzwischen alle Staaten Eu 
ropas , mit AuSirahme der Türkei und 
Griechenlands, beigetreten waren. Das 
ganze Unternehmen ruht in den Händen 
einer größern Anzahl von Bevollmächtig 
ten der verschiedenen europäischen Staaten, 
die gleichsam eine gelehrte Gesellschaft bil 
det und sich von den bestehenden Akademien 
wesentlich dadurch unterschöbet, daß ihre 
Thätigkeit auf einen einzigen Gegenstand, 
die Erforschung der Gestalt der Erde, ge 
richtet ist. Die Bevollmächtigten, 1880: 
60, sind Professoren der Astronomie 
oder Geodäsie, Mitglieder von Akademien 
oder Militärs, je nach den Einrichtungen 
in den einzelnen Staaten. Die wissen 
schaftliche Leitung steht einer aus neun 
Mitgliedern zusammengesetzten »perma 
nenten Kommission« zu,' deren erster Prä 
sident der verstorbene Astronom Hansen 
in Gotha war, und deren gegenwärtiger 
der spanische General Ibanez ist. Aus 
führendes Organ derselben ist das mit dem 
preußischen geodätischen Institut verbun 
dene »Zentralbüreau der europäischen 
Gradmessung« in Berlin mit dem General 
Bäyer an der Spitze. Die permanente 
Kommission tritt alleJahre zu Beratungen 
zusammen, alle drei Jahre aber wird, und 
zwar in einer in Mitteleuropa gelegenen 
Stadt, eine allgemeine Konferenz der Be 
vollmächtigten abgehalten. Solche fanden 
außer den beiden bereits erwähnten noch 
im Herbst 1871 in Wien, 1874 in Dres 
den, 1877 in Stuttgart und 1880 in 
München statt. 
Die europäische Gradmessung hat sich 
nun die Aufgabe gestellt, längs bestimmter 
Meridiane und Parallelkreise Triangu 
lationen auszuführen und daraus die 
Längen der kürzesten Linien zwischen einer 
größern Anzahl von Hauptpunkten mit 
Genauigkeit zu ermitteln. Diese Haupt 
punkte werden zugleich astronomisch be 
stimmt, und aus diesen geodätischen und 
astronomischen Bestimmungen wird dann 
die Größe und Krümmung der Erdober 
fläche abgeleitet. Gegenwärtig ist denn 
auch Europa mit einem Netz von Drei 
ecken überzogen, das sich vom höchsten 
Norden Skandinaviens bis nach Sizilien 
und Südspanien sowie in einer an den 
52. Parallelkreis sich anschließenden Zone 
vom O. des europäischen Rußland nach 
Westeuropa erstreckt. Durch Beobachtun 
gen auf den Gipfeln des Mulhacen und 
Tetica in Südspanien sowie des Fil- 
haousen und M'Sahiba in Algerien hat 
ferner Perrier die spanische Triangula 
tion mit der algerischen verbunden. Das 
zwischen beiden Ländern über das Meer 
gelegte Viereck hat Diagonalen bis zu 270 
km Länge, und da zur Sichtbarmachung
	        
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