Full text: Lexikon der Astronomie

Jntermerkuriale Planeten. 229 
Stunde den Rand erreichte und dort ver- 
schwand. Pastor F r i t s ch zu Quedlinburg 
bemerkte 29. Atärz 1800 einen kleinen 
schwarzen Fleck, der früh 10 Uhr noch 
28V2 Bogenminuten, mittags 1 Uhr nur 
noch 19'/2 und um 4Uhr nachmittags bloß 
10 Bogenminnten vom westlichen Rande 
der Sonne entfernt war. Ähnliche Beobach 
tungen machte derselbe 27. Febr. und 10. 
Okt. 1802. Hierher gehören ferner Beob 
achtungen von Stark in Augsburg (9. 
Okt. 1Ö19 und 12.Febr. 1820), Pastörff 
in Buchholz bei Frankfurt a.M., deBico 
(12. Juli 1837) und de Cuppis in Rom 
(2. Okt. 1839) u. a. Derartige Wahrneh 
mungen mußten den Gedanken wecken, daß 
zwischen Erde und Sonne noch unbekannte 
Himmelskörper existieren; Schwabe in 
Dessau verdankt seiner eignen Angabe zu 
folge den Anlaß zu seinen umfänglichen 
Sonnenfleckenbeobachtungen einerÄuffor- 
derung des Astronomen Harding zur 
Aufsuchung eines Planeten innerhalb der 
Merkurbahn, und zwei amerikanische 
Beobachter, Herrick und Fr. Bradley 
in Newhaven (Massachusetts), haben seit 
1847 systematisch nach solchen Körpern ge 
sucht , indessen ohne Erfolg. 
Die ganze Frage trat in ein andres Sta 
dium, als der Pariser Astronom Lever- 
rier ihr seine Aufmerksamkeit zuwandte. 
So wie derselbe nämlich aus den Unregel 
mäßigkeiten der Bewegung des Planeten 
Uranus den Ort des störenden Planeten 
mit solcher Genauigkeit berechnet hatte, 
daß dieser darauf hin wirklich aufgefun 
den werden konnte (vgl. Neptun), so suchte 
er nun auch die bis dahin noch unerklär 
ten Abweichungen zwischen Theorie und 
Beobachtung, welche sich in der Bewegung 
des Planeten Merkur zeigten, durch die 
Annahme einer Schar von kleinen, inner 
halb der Merkurbahn sich um die Sonne 
bewegenden Weltkörpern zu erklären. Es 
waren insbesondere die 21 von 1697— 
1848 beobachteten Vorübergänge desMer- 
kur vor der Sonne, welche so große Un 
terschiede zwischen den berechneten und den 
beobachteten Orten des Planeten ergaben, 
daß man sie unmöglich auf Rechnung von 
Beobachtungsfehlern setzen konnte. An 
derseits zeigte sich, daß eine nur geringe 
Änderung der bisherigen Theorie ausrei 
chend war, diese Äbweichungen zu besei 
tigen. Infolge der Anziehung der übrigen 
Planeten dreht sich nämlich die große Achse 
jeder Planetenbahn langsam im Sinn der 
Bewegung des Planeten, und es wächst 
daher die Länge des Perihels beständig. 
Beim Merkur beträgt diese Zunahme, un 
ter Berücksichtigung der bekannten Pla 
neten, jährlich 56' Bogensekunden. In 
einer Mitteilung an die Pariser Akademie 
vom 12. Sept. 1859 machte nun Leverrier 
darauf aufmerksam, daß eine Vermeh 
rung der säkularen Bewegung des Mer- 
kurperihels um 38 Bogenseruuden ge 
nügt, um die angedeuteten Abweichun 
gen zwischen Theorie und Beobachtung 
um Verschwinden zu bringen. Zur Er- 
lärung dieser Vermehrung könnte man 
vermuten, daß der bisher angenonimene 
Wert der Venusmasse zu klein und um 
mindestens V10 zu vergrößern sei; aber 
diese Annahme ist unstatthaft, weil bei 
der großen Nähe der Venus die Vermeh 
rung der Masse derselben einen störenden 
Einfluß auf die Erdbewegung, insbeson 
dere auf die Schiefe der Ekliptik, äußern 
müßte, den die Beobachtungen nicht nach 
weisen. Man könnte demnächst an einen 
einzelnen Planeten innerhalb der Mer 
kurbahn denken. Dieser müßte indessen, 
um die Vergrößerung der Perihelbewe 
gung zu erklären, eine sobedeutendeMasse 
besitzen, daß eö befremden müßte, ihn noch 
nicht aufgefunden zu haben. Alle Schwie 
rigkeiten verschwinden aber, wenn man 
eine größere Anzahl von Körpern an 
nimmt, die zwischen Merkur und Sonne 
um letztere laufen. Die Wirkungen die 
ser Körper würden sich vereinigen, um die 
geforderte Änderung der Perihelbewegung 
hervorzubringen, und wenn man an 
nimmt, daß sie einen Ring um die Sonne 
bilden, über den sie verbreitet sind, so wür 
den die periodischen Wirkungen, welche 
jeder einzelne auf den Merkur ausübt, sich 
untereinander aufheben. »Möchten doch«, 
äußerte Leverrier, »einige dieser Körper 
hinreichend groß sein, um während ihres 
Vorübergangs vor der Sonnenscheibe sicht 
bar zu werden.« Es hatte den Anschein, 
als sollte dieser Wunsch in Erfüllung gehen,
	        
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