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Kalender (Einführung des Gregorianischen).
Die protestantischen ^Fürsten Deutsch
lands und die reformierten Schweizer
kantone mochten von der päpstlichen Ka
lenderverbesserung nichts wissen. Man
sah darin eine ungebührliche Nachgiebig
keit gegen den Papst, dessen geistliches
Regiment man vor kurzem erst abgeschüt
telt hatte, und dessen Eingriffe in die
Rechte der Fürsten man abweisen zu müs
sen glaubte. »Der neue K.«, so schreibt
der akademische Senat zu Tübingen 1583
in einem an seinen Landesherrn erstatte
ten Gutachten, »ist offenbar zur Beför
derung des abgöttischen papistischen We
sens gestellt, und wir halten den Papst
billig für einen greulichen reißenden
Bärwolf. Nehmen wir seinen K. an. so
müssen wir in die Kirche gehen, wenn er
uns in dieselbe läuten läßt. Sollen wir
uns mit dem Antichrist vergleichen? Wie
stimmt Christus mit Belial? Sollte es
ihm gelingen, uns seinen K. unter kaiser
licher Autorität an den Hals zu werfen,
so würde er uns das Band dergestalt an
die Hörner bringen, daß wir uns seiner
Tyrannei in der Kirche Gottes nicht lange
erwehren möchten. Der Papst greift hier
mit den Reichsfürsten nach ihren Fürsten
tümern rc.« Von andrer Seite wurde
auch die nicht vollständige Genauigkeit des
päpstlichen Kalenders als Vorwand der
Ablehnung hervorgehoben. So hätte na
mentlich der Landgraf Wilhelm IV. von
Hessen in seinem von den Fürsten erbete
nen Gutachten es lieber gesehen, wenn
man statt der Weglassung dreier Schalt
tage in 400 Jahren lieber 1600 und
dann allemal nach Verlauf von 132 Jah
ren einen Schalttag wegließ, was mit
dem bereits erwähnten persischen Ver
fahren übereinstimmt. Es ist unserm
großen deutschen Astronomen Kepler
hoch anzurechnen, daß er sich in diesem
Streite trotz seiner protestantischen Gesin
nung entschieden auf Seite derer stellte,
welche die Einführung des neuen Kalen
ders befürworteten. Gleich nach seiner An
kunft in Graz bearbeitete er den steiermär-
kischen K. für1594nach der Gregorianischen
Zeitrechnung, und an seinen alten Leh
rer Möst lin, der im Auftrag des Tübin
ger Senats gegen die päpstliche Kalender
reform geschrieben, richtete er ein Schrei
ben, in dem es heißt: »Was treibt das
halbe Deutschland? Wie lange will es
noch von der andern Hälfte des Reichs
und von dem ganzen europäischen Fest
land getrennt bleiben? Schon seit 150
Jahren fordert die Astronomie die Ver
besserung der Zeitrechnung. Worauf wol
len wir warten? Bis etwa ein Deu8 ex
machina die evangelischen Magistrate er
leuchtet ? Es sind zwar mancherlei Ver
besserungen vorgeschlagen worden, es ist
aber diejenige, welche der Papst eingeführt
hat, die beste. Wenn mau aber auch eine
bessere erfindet, so kann sie nicht in Gang
gebracht werden ohne Unordnungen, nach
dem diese einmal in Übung ist. Für die
nächsten Jahrhunderte ist sie hinreichend,
für die entferntern wollen wir nicht sor
gen. ... Es ist eine Schande für Deutsch
land, wenn es allein diejenigenVerbesserun-
gen, welche die Wissenschaften verlangen,
entbehrt.« Später (wahrscheinlich 1612)
verfaßte Kepler auch einen »Dialog über
den Gregorianischen K.«, in welchem er
von jeder der beiden Parteien einen Geist
lichen und einen Laien redend einführt,
denen als Fünfter noch ein Mathematikus
beigesellt ist, und 1613 begleitete er den
Kaiser Matthias auf den Reichstag nach
Regensburg, wo die Kalenderfrage ver
handelt werden sollte. Es wurde aber
damals nichts erreicht, und erst 1699 nah
men die protestantischen Stände des Deut
schen Reichs auf Anregung von L eib niz,
Weigel u. a. den verbesserten »Reichs-
kalender« an, der sich von dem Gregoriani
schen durch die Berechnung deö Osterfestes
unterschied. Diese wird nämlich im Gre
gorianischen K. mit Hilfe der Epakten
ausgeführt (vgl. Osterrechnung), während
der »Reichskalender« die Rudolfinischen
Tafeln dazu benutzte. Diesem Beschluß
gemäß wurden in Deutschland und den
Niederlanden der 19.—29. Febr. 1700
weggelassen; in den Schweizerkantonen
Zürich, Bern, Basel, Schaffhausen, Genf,
Biel und Mülhausen fing man 1701 mit
12. Jan. an; Dänemark nahm den neuen
K. 1710, St. Gallen 1724, England
1752 und Schweden 1753 an. Am späte
sten erfolgte aber die Einführung in man