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Kepler.
einen Kubus und um denselben eine
Kugel, so befindet sich auf dieser Saturn.
In die Kugel, welche die Erdbahn faßt,
beschreibe dagegen ein Ikosaeder und in
dasselbe eine 'Kugel, so enthält diese
die Venusbahn; in diese beschreibe
wiederum ein Oktaeder und in das
selbe eine Kugel, so befindet sich auf
dieser Merkur.« Durch dieses Werk
wurde K. auch mit Tycho Brahe und
Galilei bekannt, und als 1599 die Pro
testanten aus Steiermark vertrieben
wurden, so wandte er sich zu dem erstern
nach Prag und wurde dessen Gehilfe.
Indessen dauerte das Zusammenleben
beider Männer nur wenige Monate, da
K. zunächst zweimal nach Steiermark
zurückkehren mußte, Brahe aber schon
24. Nov. 1601 starb. Von Kaiser
Rudolf zu Braheö Nachfolger als kaiser
licher Astronom ernannt, lag es ihm
hauptsächlich ob, mit Benutzung deö rei
chen, von dem dänischen Astronomen ge
sammelten BeobachtnngSmaterials neue
Planetentafeln zu berechnen. Die Lösung
dieser Aufgabe verzögerte sich aber dadurch,
daß K. zunächst über die Bahn des
Planeren Mars ins Klare kommen wollte.
Brahe hatte nämlich gerade diesen Pla
neten, dessen Bahn eine ziemlich starke
Exzentrizität besitzt, sehr aufmerksam be
obachtet, und so war K. in den Stand
gesetzt, die Bahn desselben zu ermitteln.
Nach außerordentlich mühsamen Versuchen
kam er endlich auf die zwei ersten der nach
ihm benannten Gesetze der Planetenbe
wegung (vgl. Keplersche Gesetze), die er 1609
in seinem ersten großen Hauptwerk, der
»Neuen Astronomie« (»Astronomianova
de motibus stellae Maitis ex obser-
vationibus Tychonis Brahe«) veröf
fentlichte. Zwei Jahre darauf erschien
seine »Dioptrik«, welche eine Theorie
und mancherlei Verbesserungen des kurz
vorher erfundenen Fernrohrs enthält. In
zwischen gestalteten sich die äußern Ver
hältnisse Keplerö sehr trübe: zu der
Geldnot, in die er geraten, weil die kaiser
liche Kasse ihm seinen Gehalt nie regel
mäßig auszahlen konnte, gesellte sich noch
häusliches Elend, der Verlust von Frau
und Kind, endlich die Absetzung seines
Gönners, des Kaisers Rudolf II., der
seine Würden seinem Bruder Matthias
abtreten mußte. Unter diesen Umständen
bot K. den oberösterreichischen Land-
ständen seine Dienste an und siedelte nach
Rudolfs II. Tod nach Linz über, um an
der dortigen Landschaftsschule Mathema
tik zu lehren, die Landkarte zu revidieren
und seine Planetentafeln zu vollenden.
Bei allen diesen Arbeiten hielt er daö Ziel,
welches er sich in seinem »Mysterium cos-
mographicum« gestellt, unverrückt vor
Augen und suchte insbesondere eine Be
ziehung zwischen den Geschwindigkeiten
oder Umlaufszeiten der Planeten aufzu
finden. Die mannigfachsten Versuche wur
den gemacht und selbst die harmonischen
Verhältnisse nach Weise der Pythagoreer
mit herangezogen; so wollte K. gefun
den haben, daß sich die Geschwindig
keiten im Aphel und Perihel beim Saturn
und Jupiter wie 4:5, beim Mars aber
wie 2:3 verhalten, entsprechend den
Schwingungszahlen bei der großen Terz
und Quinte, und daraus schloß er nun,
daß jeder Planet in seiner Bahn ein mu
sikalisches Intervall durchlaufe u. dgl. m.
Endlich, im März 1618, kam er auf das
richtige Gesetz, und 15. Mai war dasselbe,
nach Beseitigung eines Rechenfehlers, fest
gestellt. Dasselbe wurde als das dritte der
drei Gesetze der Planetenbewegung 1619
in derSchrift »Harmonie der Welt« (»Har-
monices rnundi libriV«) veröffentlicht.
Nachdem K. 1620 und 1621 längere Zeit in
seiner Heimat verweilt hatte, um seiner in
einen Herenprozeß verwickelten hochbe
jahrten Mutter beizustehen, und 1622 vom
Kaiser Ferdinand!!, nach längerm Zögern
in seinem Amt als kaiserlicher Mathemati-
kus bestätigt worden war, vollendete er die
dem Kaiser Rudolf zu Ehren benannten
Planetentafeln, deren Druck aber bei der
Leere der kaiserlichen Kassen nur lang
sam vorschritt und erst 1627 in Ulm be
endigt wurde, wohin sich K. wegen
der nun auch in Oberösterreich eingetre
tenen Protestantenverfolgung zurückge
zogen hatte. Diese Tafeln haben seitdem
trotz der Konkurrenz der 1632 von Lans-
b erg veröffentlichten fast ein Jahrhundert
lang als die vorzüglichsten gegolten.