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Länge.
oder geographische L. desselben ist der
Bogen des Äquators oder Parallelkreises
zwischen dein Meridian des Orts und dem
ersten Meridian (vgl. Meridian). Sie wird
vom ersten Meridian aus entweder nach
O. von 0 bis 360° oder nach O. sowohl
als nach W. von 0 bis 180° gezählt.
Alle Punkte, die unter demselben Meridian
liegen, haben gleiche L. Da ein Ort, der
um 15° weiter nach O. liegt, die Sonne
bei der täglichen Umdrehung der Erde ge
rade eiile Stunde früher im Meridian er
blickt, so rechnet man die L. auch nach
Stunden, Minuten und Sekunden, also
nach Zeit statt nach Gradmaß, und dabei ist
Zeitmaß Gradmaß
11» (1 Stunde) = 15°
l m (1 Minute) = 15'
l s (1 Sekunde) = 15"
4» = 1'
0,0666... 8 oder Vu 8 . . . = 1".
Es ist also gleich, ob man die L. von
Washington (Marinesternwarte)
5I1 8 m 12,3s 8
oder 77° 3' 5,8s"
westlich von Greenwich angibt.
Hiernach stimmt der Längenunterschied
zweier Orte überein mit der Verschieden
heit der gleichzeitigen Angaben der Orts
uhren, vorausgesetzt, daß letztere die Orts
zeit richtig angeben, und es ist also zur Er
mittelung des Längenunterschieds zweier
Orte notig,
1) die genaue Zeit an beiden Orten für
ein und denselben Augenblickzu kennen und
2) die Angaben beider Uhren mitein
ander zu vergleichen.
Das erstere hat keine Schwierigkeiten
(vgl. Zeit), aber die Vergleichung der Zeit
angaben zweier Orte ist nicht leicht mit
der nötigen Genauigkeit und Zuverläs
sigkeit ausführbar. Daher sind auch in
früherer Zeit ganz gewaltige Irrtümer in
Bestimmung der geographischen L. began
gen worden. So gaben im Altertum die
alexandrinischen Gelehrten dem Mittel
meer eine Ausdehnung von 60° in der L.
und selbst die besten europäischen Geogra
phen des 17. Jahrh, eine solche von 55°,
während dieselbe nur 40° beträgt. Ptole-
mäoö nahm 177° als Längenunterschied
zwischen dem westlichen Europa und der
Hauptstadt von China an, der vor seiner
Zeit lebende Marinus Tyrus aber 225°,
und die Angabe des Marinus fand gegen
Ende des Mittelalters allgemeine Ver
breitung, daher man den Zwischenraum
zwischen Spanien und dem Ostrand Asiens
nur zu 130° annahm, ein Umstand, der
Kolumbus wesentlich zur Unternehmung
seiner Entdeckungsfahrten ermutigt hat.
Die wichtigsten Methoden zur Bestim
mung des Längenunterschieds zweier Orte
sind folgende:
1) Es wird ein Ereignis, das an bei
den Orten genau in demselben Augenblick
sichtbar wird, beobachtet und die Uhrzeit
an jeder Beobachtungsstation bestimmt.
Die Differenz der beiden Zeitangaben ist
die Längendifferenz.
Schon Hipparch machte auf die
Mondfinsternisse als hierzu geeignete
Erscheinungen aufmerksam und bestimmte
zu diesem Zweck den Eintritt derselben
auf eine Reihe von Jahren so genau im
voraus, als seine Theorie des Sonnen-
und Mondlaufs es gestattete. Nicht nur
Anfang und Ende einer Mondfinsternis,
sondern auch der Eintritt eines beliebigen
Mondflecks in den Schattenkegel der
Erde oder der Austritt aus demselben
können zu diesem Zweck verwendet wer
den. Weil aber der Schatten der Erde
auf der Mondfläche nur undeutlich, nicht
scharf begrenzt erscheint, so werden bei sol
cher Bestimmung des Längenunterschieds
Fehler von einer Zeitminute und darüber
begangen. Dazu kommt noch als Übel
stand die Seltenheit der Mondfinsternisse.
Dieselben werden daher in neuerer Zeit
kaum noch zu dem angegebenen Zweck
beobachtet; bis zu Ende des Mittelalters
und noch für Ulugbegh waren sie das
einzige Mittel für Längenbestimmungen.
In derselben Weise lassen sich auch die
Ein- und Austritte der Jupiter
trabanten in den Schattenkegel ihres
Hauptplaneten benutzen, wie Galilei
bereits 1610 bemerkt hat. Indessen erfol
gen dieselben nicht ganz Plötzlich, sind also
nicht mit vollkommener Schärfe zu beob
achten, daher man sie ebenfalls nur sel
ten mehr zu Längenbestimmungcn benutzt.