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Astrologie (Neuzeit).
medicos und philosophos, sonderlich
Philippum Feselium, daß sie bei billiger
Verwerfung des sternguckerischen Aber
glaubens nicht daS Kind mit dem Bad aus
schütten, und hiermit ihrer Profession
unwisscndt zuwider handeln«. Über die
gewöhnliche A. freilich, welche auS der
Stellung der Gestirne die Schicksale des
einzelnen Menschen erkennen will, spricht
er sich sehr geringschätzig auö. »Die A.«,
schreibt er einmal, »ist nicht wert, daß
man Zeit darauf wendet; aber die Leute
stehen in dem Wahn, sie gehöre zu einem
Mathematiker.« Er entschuldigt die eigent
lich unwürdige Beschäftigung mit diesem
Aberglauben durch die äußere Notwendig
keit: »Es ist wohl«, schreibt er in der er
wähnten Schrift, »diese A. ein närrisches
Töchterlein; aber, lieber Gott, wo wollt
ihre Mutter, die hochvernünftige Astrono-
mia, bleiben, wenn sie diesenärrischeToch-
ter nicht hätte«. Und weiterhin: »Auch
sind sonsten dermaÜieinatioornm salaria
so seltsam und gering, daß die Mutter ge
wißlich Hunger leiden müßte, wenn die
Tochter nichts erwürbe«. Keplers abfäl
liges Urteil über die A. bezieht sich aber
nur auf den vermeintlichen Einfluß der
Gestirne auf die äußern Schicksale der
Menschen; dagegen schreibt er den gegen
seitigen Stellungen der Planeten zur Erde
einen Einfluß auf meteorologische Erschei
nungen und auf das Gemüt der Menschen
zu. Von besonderer Wichtigkeit sind ihm
die Aspekten oder die Winkel, welche die
von uns nach den Sternen gezogenen Li
nien einschließen. Er unterscheidet sieben
wirksame Aspekten, entsprechend Winkeln
von 60°, 72°, 90°, 120°, 130°, 144° und
180°, für welche er die Namen Lextilis,
Quintilis, Quadratus, Trinus, Sesqua-
drus, Biquintilis, Oppositus gebraucht.
Sie stehen in enger Beziehung zu musi
kalischen, harmonischen Verhältnissen:
schneidet man nämlich von einer Saite den
sovielten Teil ab, als der Aspekt von 360°
ist, so gibt der Rest der Saite mit der gan
zen ein harmonisches Intervall, welches
dem Aspekt angehört. Beispielsweise der
Quadratus(90°—'/« von 360°)entspricht
der Quarte (da a k der Saite die Quarte
des Tonö der ganzen Saite gibt), der
TrinuS (VZ) der Quinte rc. Durch diese
harmonischen Verhältnisse wirken nun die
Sterne auf die Seelen und zwar zunächst
auf die Seele der Erde. Kepler sieht näm
lich iir unserm Planeten ein belebtes We
sen und versucht den Nachweis der wesent
lichen Erscheinungen des tierischen Lebens
desselben sehr ins einzelne. Die Sinnes
organe gehen dem Erdtier freilich ab, und
dabei sind seine Empfindungen nur dunkle.
Infolge davon ist auch die Erde nicht sehr-
reizbarer, beweglicher Natur, etwa wie ein
Hund. sondern schwerfällig wie ein Ochs
oder Elefant; gerät sie aber einmal in
Zorn, so wütet sie um so heftiger. Solche
dunkle Empfindungen regen nun auch die
Aspekten in der Tierseele an, in welcher
die Strahlen der Planeten zusammen
laufen, wie die Harmonien in der Seele
der Sonne. Dilrch diese Empfindungen
wird das Erdtier angeregt, und seine
Thätigkeit wirkt dann bald fördernd, bald
hemmend auf den durch die Bewegung
der Erde um die Sonne bedingten regel
mäßigen periodischen Wechsel der meteo
rologischen Erscheinungen ein. In ähn
licher Weise regen die Aspekten auch die
Seele des Menschen an, daß sie stärker
und heftiger arbeitet. Diese Einwirkung
erfolgt ganz unbewußt, gerade so wie ver
schiedene Melodien und Harmonien ver
schieden auf unser Gemüt wirken, ohne
daß die zu Grunde liegenden musikalischen
Verhältnisse uns zum Bewußtsein kom
men. Da diese Erregung der Seele durch
die verschiedenen Aspekten von frühster
Jugend an erfolgt und die ersten heftigen
Regungen der Seele für die Bildung des
Gemi'ttS und Charakters von Wichtigkeit
sind, so ist eS nicht gleichgültig, unter wel
chen Aspekten ein Mensch erzeugt unb ge
boren ist. Welche Wirkungen aber die ver
schiedenen Aspekten äußern, das läßt sich
nur auf Grund von Beobachtungen fest
stellen.
Wenn wir hier einen Gelehrten wie
Kepler, der eine schöpferisch umgestaltende
Thätigkeit in der Astronomie entwickelte,
in phantasiereicher Weise einen Zusam
menhang zwischen den Gemütsregungen
in unserm Innern und den Stellungen
der Gestirne behaupten sehen, so darf eö