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Astrologie (Neuzeit, Allgemeines).
uns nicht wunder nehmen, daß die große
Mebrzahl seiner Zeitgenossen noch fest dem
astrologischen Aberglauben anhing. Gleich
wohl ist dieser, in der wissenschaftlichen
Welt wenigstens, im 17. Jahrh, zu Grabe
getragen worden. In einem Zeitalter, das
durch die sich mehr und mehr verbreitende
Anerkennung des kopernikauischen Sy
stems, durch die Erfindung des Fernrohrs
und die Vervollkommnung der mathema
tischen Methoden dem Forscher eine Fülle
neuer Ideen und Anschauungen zuführte
und ihm so reiche Gelegenheit zu wirk
lichen Entdeckungen bot/konnten müßige
Spekulationen weniger gedeihen. Der
Franzose Jean Baptiste Morin, geb.
1583 zu Billesranche in Beaujolais, gest.
1656 zu Paris, der in seiner Jugend Astro
log des Bischofs von Boulogne, des Her
zogs von Luxemburg u. a. war, ist viel
leicht der letzte größere Astrolog gewesen.
Seine erst 1661 erschienene »Xstrologia
gallica«, das Werk 30jähriger Arbeit, hat
freilich nicht vermocht, das morsch gewor
dene Gebäude zu stützen, wie des Autors
Hoffnung war. und seine Prophezeiungen
trafen meist nicht ein. Spätere Anhänger
aus dem Kreis der wissenschaftlich Gebil
deten hat dieA.nurnoch vereinzelt gefunden.
In der systematischen A., wie sie im Mit
telalter ausgebildet worden, unterscheidet
man die natürliche und die positive
oder Judizialastrologie. Die erstere
hat cs mit dem Einfluß der Gestirne auf
Witterungöverhältuisse zu thun, die zweite
aber mit der Herrschaft der Sterne über das
Schicksal der Menschen. Die erstere beruht
nicht durchgängig auf falschen Gedanken,
und manche Untersuchungen der neuesten
Zeit über den Einfluß des Mondes und
der Sonnenflecke auf die Witterung ge
hören streng genommen dahin. Wir wollen
hier nur über die Technik des letzter» Teils,
der eigentlichen A., einiges mitteilen.
Um die Nativität eines Menschen zu
ermitteln, d. h. sein Schicksal vorauszu
sagen, muß zuerst sein Horoskop gestellt,
d. h. derjenige Punkt der Ekliptik gefun
den werden, welcher im Augenblick seiner
Geburt eben aufging. Von dem aufgehen
den Punkt aus wurde dann der Äquator
des Himmels in zwölf gleiche Teile geteilt,
und durch die Teilpunkte sowie durch die
Mittagsliuie legte man zwölf Ebenen,
welche'die Himmelskugel in zwölf Teile,
sogen. Häuser, teilten. Diese sind, vom
aufgehenden Punkt aus nach O. (unter
den Horizont hinab) gezählt, daö Haus
des Lebens, des Glücks (oder Reichtums),
der Brüder, der Verwandtschaft, der Kin
der, der Diener (oder auch der Gesundheit),
der Ehe, das mit dem untergehenden Punkt
der Ekliptik begann, ferner das Haus des
Todes, der Religion, der Würden, welches
mit dem Punkte der Ekliptik begann, der
zur Zeit der Geburt kulminierte, das der
Freundschaft und der Feindschaft. Mit
Horoskop (Himinelsfigur).
Hilfe dieser zwölf Häuser ward die sogen.
Himmelsfigur zusammengestellt, von wel
cher obenstehende Figur eine Darstellung
gibt,und in dieseFigur trug mandannzur
leichternübersichtderAspekten die einzelnen
Planeten, die Knoten der MondbahnsDra
chenkopf und Drachenschwanz) und in spä
terer Zeit das sogen. Glücksrad ein, d. h.
denjenigen Puiflt des Himmels, der ebenso
weit von dem Mond abstand wie die
Spitze des ersten Hauses von der Sonne.
Aus der so ausgefüllten Figur wurde dann
nach bestimmten Regeln die Weissagung
gewonnen. Es bedeutete beispielsweise
im ersten Haus die Sonne einen gesunden
und gelehrten Menschen, Saturn einen
unreinlichen und trägen; Merkur im zwei
ten Haus Glück im Handel, der Mond im
fünften Haus zahlreiche Kinder re.