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Sonne (Protuberanzen, Chromosphäre). 463
Janssen war indessen nicht der erste, der
aus den Gedanken kam, dieProtubcranzen
auf dieseWeisezu beobachten. Schon 1t.Okt.
1866 hatte Norman Lockyer der Königli
chen Gesellschaft in London eine mit der
Janssenschen übereinstimmende Methode
mitgeteilt, ohne indessen in Ermangelung
genügender Instrumente deren praktische
Brauchbarkeit erproben zu können.Die erste
telegraphische M itteilung über die Beobach
tung Heller Linien in dem Protuberanzen
spektrum während der Finsternis durch
Janssen veranlaßte nun Lockyer, mit einem
kräftigernSpektroskop den Sonnenrand zu
untersuchen, und 20. Okt. 1868, ehe man
noch in Europa von den spätern Beobach
tungen Janssens etwas wußte, konnte der
englische Spektroskopist die Existenz einer
Protuberanz durch das Erscheinen der drei
hellen Wasserstofflinien konstatieren. Die
Mitteilung von Lockyers Entdeckung kam
sogar noch etwas früher in die Hand des
Präsidenten der Pariser Akademie, des
Astronomen D e l a u n a y, als der vom
19. Sept. datierte Brief Janssens, in wel
chem derselbe über den Erfolg seiner spä
tern Beobachtungen berichtete.
Janssens und Lockyers Methode, bei
welcher man die Dimension der Protube
ranzen aus der Länge der Spektrallinien
erkennt und ein Bild deS Ganzen erst aus
einer Anzahl Beobachtungen erhält, ist
später durch eine bequemere ersetzt worden,
welche gestattet, gleich mit einem Blick die
vollständige Form der im Gesichtsfeld be
findlichen derartigen Gebilde zu übersehen
und ihre Veränderungen zu verfolgen.
Zöllner hat zuerst darauf hingewie
sen, daß der Hauptgrund, weshalb man
für gewöhnlich, auch nach Abblendung des
direkten Sonnenlichts, die Protuberanzen
nicht sehen kann, in dem hellen, von der
Atmosphäre reflektierten Sonnenlicht liegt.
Öffnet man nun den Spalt eines Spektro
skops mit sehr stark zerstreuendem Prisma
so weit, daß eine ganze Protuberanz sicht
bar wird, so erleidet das reflektierte Son
nenlicht durch die starke Zerstreuung eine
solche Abschwächung, daß es nicht weiter
stört; das Protuberanzenlicht aber, das sich
auf wenige Lichtarten beschränkt, wirdnicht
in dem Grad geschwächt, und man erblickt
daher durch das Spektroskop, entsprechend
den verschiedenen Wasserstofflinien, ein
rotes, ein gelbes und ein blaues Bild der
Protuberanz. Doch stimmt das gelbe Bild
nur für die untern Partien mit den an
dern Bildern überein, während in größe
rer Entfernung von der S. die feinern De
tails verschwinden. Wahrscheinlich sind
eigne Druck- und Temperaturverhältnisse
in größerer Nähe am Sonnenkörper die
Ursache der Emission gelber Strahlen.
12)Die weitern Beobachtungen, zunächst
von Lockyer, haben ergeben, daß die ganze
S. rings umgeben ist mit einer ungefähr
8000 km hohen Hülle desselben Gases,
welches die Protuberanzen bildet. Lockyer
hat diese Hülle mit dem Namen der Chro
mosphäre belegt. Die Protuberanzen
sind nichts als flammen-oder zungenartige
Hervorragungen derselben oder aus ihr sich
entwickelnde wolkenartige Gebilde, die oft
in kurzer Zeit bis zu bedeutenden Höhen
aufsteigen und dem mannigfachsten Wech
sel der Form und andern Veränderungen
ausgesetzt sind. So beobachtete Lockyer
einmal eine Protuberanz von 44,000 km
Höhe, die nach 10 Minuten vollständig ver
schwunden war.
Spörer unterscheidet zwei Arten von
Protuberanzen: die gewöhnlichen, cha
rakterisiert durch geringere Helligkeit, grö
ßere Beständigkeit, häufige Tendenz" zu
wolkiger Ausbreitung, in der Hauptsache
aus Wasserstoff bestehend; flammige
Protuberanzen von großer Hellig
keit, daher schon bei ungünstiger Luft
sichtbar, überaus veränderlich, mit vor
herrschend spitzen Formen, außer Wasser
stoff noch andre Substanzen, namentlich
Magnesium, enthaltend. Spätere Unter
suchungen haben nämlich außer den er
wähnten noch eine große Anzahl Linien
im Spektrum der Protuberanzcn und der
Chromosphäre nachgewiesen.
Auch in der Chromosphäre findet Spörer
denselben doppelten Charakter, die flam
mige Chromosphäre ist ihm identisch mit
den Fackeln.
Zöllner unterscheidet dampf- oder
wolkenförmige Protuberanzen und
eruptive. Die erstern erinnern an unsre
Nebel- und Wolkenmassen, besonders oft