Full text: Lexikon der Astronomie

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Uhren. 
Die Benutzung des Pendels zur Zeit 
messung soll schon der arabische Astronom 
Jbn Junis (gest. 1008) gekannt haben, 
die Verbindung desselben mit der Räder 
uhr datiert aber erst aus dem letzten Vier 
tel des 16. oder aus dem 17. Jahrh. Wer 
zuerst diesen wichtigen Schritt gethan hat, 
ist nicht ganz sicher. Wolf schreibt den 
selben dem Uhrmacher des Landgrafen 
Wilhelm IV. von Hessen, Jost Bürgi, 
zu und glaubt, daß dieser den Jsochroms- 
mus der Pendelschwingungen gekannt, 
bereits im 16. Jahrh, die Pendeluhr er 
funden und sowohl zu astronomischen als 
zu bürgerlichen Zwecken mehrfach ausge 
führt habe. Es findet sich nämlich in der 
Einleitung zu dem Hesseschen Sternver 
zeichnis, die um 1586 von Rothmann 
verfaßt ist, die Angabe, daß in Kassel eine 
Sekundenuhr benutzt worden sei, bei wel 
cher das Libramentum, d. h. der zur Re 
gulierungdienende schwingendeTeil, »nicht 
auf gewöhnliche, sondern auf ganz beson 
dere' und ganz neu erfundene Weise so 
getrieben werde, daß jede der Bewegungen 
einer einzelnen Sekunde entspreche«. Es 
ist übrigens bemerkenswert, daß bei Her 
stellung dieses Sternverzeichnisses durch 
Wilhelm IV. und seine Mitarbeiter zum 
erstenmal die Zeit als eigentliches Beob 
achtungsobjekt für Ermittelung der Rekt 
aszensionen benutzt wurde. Ferner wird 
in einer 1680 von Joachim Becher ver 
öffentlichten Schrift (»De nova temporis 
metiendi ratione theoria«) berichtet, 
daß nach dem Zeugnis des Flamänders 
Kaspar Dans sich schon zu Kaiser Ru 
dolfs II. Zeit in Prag eine von Bürgi ge 
fertigte Pendeluhr befunden habe und von 
Tycho Brahe zu seinen astronomischen 
Beobachtungen benutzt worden sei. Auch 
wird eine in der k. k. Schatzkammer zu 
Wien neuerlich aufgefundene Pendeluhr 
als ein Werk Bürgis betrachtet. Dem 
gegenüber hat nun neuerdings Gerland 
in Kassel darauf hingewiesen, daß keine 
der erwiesenermaßen von Bürgi gefertig 
ten U. ursprünglich ein Pendel hatte, selbst 
nicht die große Pendeluhr des Kasseler 
Museums. Letztere besitzt allerdings jetzt 
ein Pendel mit verschiebbarem Gewicht, 
aber auch rückspringende Ankerhemmung, 
Astronomie. 
deren Erfindung mai: sonst dem Uhr 
macher Clement (um 1680) zuschreibt, 
und es ist erwiesen, daß diese Uhr 1680 
mit einem neuen Werk versehen worden 
ist. Für Bürgi sprechen also eigentlich 
nur die beiden ersten der obenerwähnten 
Zeugnisse; bezüglich des zweiten mag aber 
noch hinzugefügt werden, daß Brahe seiner 
eignen Angabe zufolge sich bei den Beob 
achtungen'am Mauerquadranten einer 
Sekundenuhr bediente, deren Beschreibung 
er leider nicht gegeben hat. 
Als Erfinder der Pendeluhr wird ferner 
Galilei genannt, und als Zeit der Er 
findung wird die zweite Hälfte des Jahrs 
1641 bezeichnet. Galilei, damals schon 
erblindet, teilte seine Idee seinem Sohn 
Vincenzo, einem geschickten Mechaniker, 
mit, welcher die nötigen Zeichnungen ent 
warf und Modelle konstruierte. Mitten 
in diesen Arbeiten erkrankte aber Galilei 
und starb 8. Jan. 1642. Die Erfindung 
wurde aber nach Galileis Diktat von des 
sen Schüler Viviani in einem 20. Aug. 
1659 an den Prinzen Leopold von Medici 
erstatteten Bericht beschrieben, und eine 
Originalabbildung derselben befindet sich 
auch in den Galileischen Manuskripten in 
der Biblioteca Palatina zu Florenz. 
Ist nun auch nicht daran zu zweifeln, daß 
Galilei selbständig auf diese Idee gekom 
men, so hatte doch seine Erfindung keine 
praktische Folge. In die Praxis eingeführt 
wurde die Pendeluhr erst durch den Nie 
derländer H uh gens, der sie 1656 gleich 
falls selbständig erfand und zuerst 1657 
ein Patent auf eine solche nahm. Schon 
1658 beschrieb Huygens seine Uhr in einem 
Werk,das unter dem Titel: »Horologium« 
erschien; eine ausführlichere Theorie aber 
enthält sein berühmtes Werk »Horolo 
gium oscillatorium« (1673). Zu den 
ersten, welche Huygens' Erfindung benutz 
ten, gehört der Danziger Astronom H e v e l, 
der schon früher, seit 1640, ein Pendel 
zur Zeitmessung bei seinen Beobachtun 
gen benutzt hatte. H e v e l hat wahrschein 
lich noch früher als der Engländer Flam- 
steed, dem man öfters dieses Verdienst 
zuschreibt, die Pendeluhr regelmäßig zu 
astronomischen Beobachtungen benutzt. 
Um die weitere Verbesserung der Pen- 
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