Full text: Lexikon der Astronomie

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Weltsystem (der Pythagoreer, ptolemäisches). 
scheu Umlaufszcit einmal um das Zen 
trum, die Sonne in einem Jahr, der 
Mond in einem siderischen Monat, die Erde 
in einem Tag, und durch diesen Unilauf 
und den Umstand. daß der bewohnte Teil 
der Erde immer nach dem OlympoS ge 
kehrt ist, wird der Wechsel von Tag und 
Nacht erzeug!. Übrigens erfolgt der Um 
lauf in der Richtung von W. nach O.; 
während aber Sonne und Mond sich in der 
Ebene des Tierkreises bewegen, beschreibt 
die Erde einen gegen diese Ebene geneig 
ten Kreis in der Ebene des Äquators. 
Die Entfernung der Erde vom Zentrum 
dachte man sich nach dem Bericht des Ari 
stoteles verhältnismäßig klein, so daß uns 
die Phänomene so erscheinen, als befän 
den wir uns im Mittelpunkt, da ein merk 
barer Unterschied auch dann nicht eintre 
ten würde, wenn man annähme, der Mit 
telpunkt der Erde sei der Mittelpunkt der 
Welt, und wir seien von diesem Zentrum 
um die Hälfte des Erddurchmessers entfernt. 
Auf dem Boden der Pythagoreischen 
Lehre steht in seinem reifern Alter Pla 
ton (429—347 v. Chr.), der indessen dar 
über hinausging und nach dem Zeugnis 
Plutarchs die Erde nicht mehr in der 
Mitte des Ganzen gelassen, sondern diese 
Stelle einem andern, bessern Gestirn ein 
geräumt haben soll. In seinem »Timäos« 
findet sich auch eine Stelle, die von Jde- 
ler, Gruppe u. a. unter dem Wider 
spruch von Böckh auf die Drehung der 
Erde um ihre Achse gedeutet wird: »Die 
Erde, unsre Ernährerin, welche gedreht 
(oder geballt) ist um die durch daS All 
ausgespannte Achse, macht er zur Wäch 
terin zur Hervorbringung von Tag und 
Nacht«. Die Gedanken, daß die Erde nicht 
das Zentrum des Weltalls sei und nicht 
stillstehe, finden wir mit unzweifelhafter 
Klarheit ein Jahrhundert später bei Ar i- 
starcd von Samos. Von ihm berichtet 
P lutarch, daß einst ein gewisser Klean- 
thoS gemeint habe, ganz Griechenland 
müsse den SamierAristarch alsReligions- 
verächter, der den heiligen Weltherd ver 
rücke, vor Gericht laden, weil dieser Mann, 
um die Himmelserscheinungen richtig zu 
stellen, den Himmel stillstehen, die Erde 
dagegen sich in einem schiefen Kreis fort 
wälzen und zugleich um ihre eigne Achse 
drehen ließ. Weitere Aufschlüsse über die 
kosmischen Ansichten dieses genialen Astro 
nomen gibt uns sein Zeitgenosse, der Geo 
meter Archimedes, in seiner »Sand 
rechnung«. Dort wird nämlich gesagt, 
daß nach der Ansicht des Aristarch die 
Welt viel größer ist als nach der gewöhn 
lichen Annahme; denn er setzt voraus, 
daß die Sterne und die Sonne unbeweg 
lich seien, daß die Erde sich um die Sonne 
als Zentrum bewege, und daß die Fix- 
sternsphäre, deren Zentrum ebenfalls in 
der Sonne liegt, so groß sei, daß der Um 
fang deS von der Erde beschriebenen Krei 
ses sich zu der Entfernung der Fixsterne 
verhalte wie das Zentrum einer Kugel zu 
ihrer Oberfläche. Abermals ein Jahrhun 
dert später soll dann ein gewisser Seleu- 
kos(vielleicht aus Erythrä oder auch aus 
Seleucia am Tigris) dieses System näher 
zu begründen versucht hahen. 
Wir sehen also, wie schon im Altertuni 
die geozentrische Weltansicht bei einzelnen 
ihrer Zeit vorauseilenden Forschern der 
richtigen heliozentrischen weichen muß. 
Wenn gleichwohl diese letztere nicht festen 
Fuß zu fassen vermochte und auf lange 
Jahrhunderte in Vergessenheit geriet, so 
rührt dies daher, daß die Ergebnisse der 
Beobachtung im Altertum noch nicht dazu 
nötigten, die Sonne in das Zentrum zu 
setzen. Noch ferner lag es, nach den Ur 
sachen und Kräften zu fragen, welche die 
Bewegung der Weltkörper erzeugen; viel 
mehr kam es den Astronomen des Alter 
tums nur darauf an, die thatsächlich be 
obachteten Bewegungen auf gleichförmige 
Bewegungen im Kreis zurückzuführen. 
Eudöros, ein genialer Schüler Platons, 
löste dies Problem in höchst scharfsinniger 
Weise durch sein System der homozen 
trischen Sphären (s. d.). 
Dieses System wurde indessen später 
verdrängt durch das ptolemäische W. 
Bei diesem steht die kugelförmige Erde fest 
im Zentrum des Weltalls, und um sie 
bewegen sich in immer größern Abständen 
der Mcmd, der Merkur, die Venus, die 
Sonne, der Mars, der Jupiter und Sa 
turn; jenseit des letztern sind die Fix 
sterne an einer Sphäre angeheftet, zwei 
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