56b Zirkumpolarsterne.
Wäre die geographische Breite kleiner als
45°, so würde der Bogen NP kleiner alö
der Bogen PZ sein, und ein Stern, der
in seiner untern Kulmination zwischen P
uud N steht, müßte dann stets in der obern
zwischen P und Z stehen. Da wir aber
die Polhohe größer als 45° angenommen
haben, so gibt es einen Punkt B, dessen
obere Kulmination im Zenith Z stattfin
det; für ihn ist die Poldistanz gleich dem
Bogen PZ, also die Deklination gleich der
Polhöhe NP. Ist aber der Stern noch
»veiler vom Pol entfernt, seine Deklina
tion also noch kleiner, so wird die obere
Kulmination, wie bei dem Stern 0, süd
lich vom Zenith, in 6", stattfinden. Ver
gleicht man die Bewegung eines südlich
vom Zenilh kulminierenden Zirkumpolar-
sterns wie C, mit der eines Sterns, der
wie A nördlich vom Zenith kulminiert, so
bemerkt man bald einen wesentlichen Un
terschied. Der Vertikaltreis des Sterns
6 vollendet nämlich eine volle Umdrehung,
während der Stern einmal in seinem Par
allelkreis umläuft: wenn der Stern von
6" bis 6' geht, so wächst das Azimut (der
Winkel zwischen Vertikalkreis und Meri
dian) von 0—180°, während die Höhe
beständig abnimmt, und wenn der Stern
(in der in der Figur nicht angegebenen
Hälfte des Parallelkreises) von 0' nach
6" geht, so wächst bei zunehmender Höbe
das Azimut weiter von 180—360°. Der
Höhenkreis ZE dreht sich also immer
in demselben Sinn. Anders ist es beim
Stern A. Wenn derselbe bei A" durch
den Meridian gegangen, so entfernt sich
sein Höhenkreis mehr und mehr vom Me
ridian , der Winkel zwischen beiden oder
die D i g r e s s i o n des Sterns wird immer
größer; dies dauert aber nur so lange, bis
der Stern die in der Figur mit A be
zeichnete Lage annimmt, in welcher der
Vertikalkreis ZD den Parallelkreis gerade
berührt. Von da an nimmt der Winkel
zwischen dem Höhenkreis und dem nörd
lichen Teil des Meridians, die Digression,
wieder ab, bis in der untern Kulmination
A/ beide Kreise wieder zusammenfallen.
Bei der weitern Bewegung des Sterns
wird der Höbenkreis in dem gleichen Sinn
wcitergedreht, bis er aus der Ostseite (in
unsrer Figur auf der hintern Seite) wie
der dieselbe Digression erreicht wie ZI)
auf der Westseite; von da an nähert sich
der Stern wieder dem Meridian. In der
Stellung A und in der entsprechenden aus
der Ostseite hat der Stern seine größte
Digression. Man kann beide Stel
lungen leicht finden, wenn man den Stern
mit einem Azimutalinstrument verfolgt.
Richtet man das Fernrohr desselben auf
den Stern, so wird man es im allgemei
nen in Richtung sowohl des Vertikal- als
des Azimutalkreises drehen müssen, wenn
man den Stern im Kreuzungspunkt der
Fäden des Fadenkreuzes erhalten will. In
der Nähe der Kulmination aber, wo die
Höhe sich nur unmerklich ändert, wird
eine Drehung in Richtung des Azimutal
kreises genügen. Umgekehrt aber wird in
der größten Digression nur eine Drehung
in vertikaler Richtung nötig sein, weil
der Stern in A eine vertikal abwärts
gehende, in dem entsprechenden Punkt
auf der Ostseite aber eine vertikal auf
wärts gerichtete Bewegung hat. Man
wird den Stern in diesen Stellungen um
so län^r durch bloßes Drehen des Fern
rohrs in der vertikalen Ebene verfolgen
können, je kleiner seine Geschwindigkeit
oder je kleiner der von ihm beschriebene
Parallelkreis ist, d. h. je näher er dem
Pol steht.
Die Ermittelung der beiden Vertikal
kreise, in denen die größte,: Digressionen
eines Zirkumpolarsterns stattfinden, ist
deshalb von Wichtigkeit, weil in ihr ein
schon von Nothmann benutztes Mittel zur
genauen Bestimmung der Lage des
Meridians liegt. Man erhält diesen
nämlich sofort, wenn man den Winkel je
ner beiden Parallelkreise durch eine Ver
tikalebene halbiert. Zu dem Zweck stellt
man das Azimutalinstrument fest auf und
verfolgt den Stern so lange mit dem Fern
rohr, bis sein Azimut sich nicht mehr än
dert, worauf man auf dem Azimutalkreis
die Ablesung macht, welche a sei. Hierauf
verfolgt man den Stern in gleicher Weise
auf der andern Seite des Meridians und
macht in der größten Digression die Able
sung a'. Der Meridian schneidet daun
den Äzimutalkreis im Punkt '/* (a Z- a').