Dämmerung.
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Dämmerung heißt die Helligkeit, welche
frühmorgens einige Zeit vor dem Auf
gang und abends einige Zeit vor dem Un
tergang der Sonne eintritt. Die erstere,
welche den allmählichen Übergang von
dem Dunkel der Nacht zur Tageshelle bil
det, wird Morgendämmerung ge
nannt; die letztere, welche aus der vollen
Tageshelligkeit in das Dunkel der Nacht
überführt, heißt dieA b e n d d ä m m e r u n a.
1) Die D. ist begründet in der Umhül
lung der Erde durch eine Luft- und Wasfer-
dampfatmosphäre und in der Eigenschaft
der einzelnen Atmosphärenteilchen, das
Licht zu reflektieren. In beistehender Fi
gur möge AEB einen Teil des Erdum
fangs, 0 den Mittelpunkt derErde darstel-
Reflexion des Lichts von den obern
Luftschichten.
len. Treffen dann die Sonnenstrahlen in
der Richtung 8 A auf die Erde, so geht für
den Punkt Ä die Sonne eben auf oder un
ter, die Punkte E und B werden nicht von
den direkten Sonnenstrahlen getroffen, für
sie ist es Nacht. Dagegen werden die höher
gelegenen Luftschichten von A nach E und
B hm noch von den Sonnenstrahlen be
leuchtet, und indem sie das Licht reflek
tieren, erleuchten sie die auf der Nacht
seite der Erde liegenden Punkte. So trifft
der Strahl 8A das Luftteilchen C in der
Höhe E O über der Erdoberfläche, und die
ses reflektiert das Licht nach dem Punkt B.
Es ist nun leicht ersichtlich, daß die
jenigen Punkte der Erdoberfläche, welche
in der Nähe von A liegen, von Luftteilchen
D.
in verschiedenen Höhen auf die angegebene
Weise Licht empfangen, während die weiter
von A entfernten nur noch von den obersten
Luftschichten und daher weniger hell be
leuchtet werden, bis man endlich in eine
Gegend kommt, die nur noch von den
höchsten überhaupt der Lichtreflexion fähi
gen Schichten der Atmosphäre Licht em
pfängt. Hier muß die Grenze der D. liegen,
weiterhin findet Nacht statt. So wie also
an einem bestimmten Ort ein der Zeit nach
allmählicher Übergang von Tageshelle zum
Dunkel der Nacht stattfindet, so sind auch in
jedem Augenblick die von der Sonne direkt
beleuchteten von den in völligem Dunkel
liegenden Teilen der Erdoberfläche getrennt
durch eine Region, in welcher dem Ort
nach ein allmählicher Übergang von Licht
zu Dunkelheit stattfindet. Alles dies ist
eine Folge der Existenz der Atmosphäre.
Wenn wir daher auf einem andern Him
melskörper eine scharfe Grenze des beleuch
teten und des unbeleuchteten Teils ohne
jegliche Übergangszone wahrnehmen, so
sind wir berechtigt zu der Annahme, daß
dieser Himmelskörper keine Atmosphäre
oder höchstens eine solche von sehr geringer
Dichte besitzt. So ist es bei unserm Mond.
2) Man unterscheidet eine doppelte D.,
die bürgerlicheund die astronomische.
Die bürgerliche D. beginnt früh, so
bald man in Wohnräumen die gewöhnlichen
Hantierungen vornehmen und Druckschrift
mittlerer Größe ohne künstliche Beleuch
tung lesen kann. Dies ist der Fall, wenn
die Sonne ungefähr 6Vs° untern: Hori
zont steht. Die astronomische D. dage
gen beginnt, sobald morgens die kleinern
Sterne anfangen unsichtbar zu werden.
Der arabische Astronom Alhazen, dem wir
die früheste Untersuchung der Dämme
rungserscheinungen verdanken, gibt an,
daß dies stattfindet, wenn der Sonnenmit
telpunkt 19° unterm Horizont steht. Statt
dessen nimmt man gegenwärtiggewöhnlich
18° an. Es hat indessen Schmidt in Athen
15,9° undBehrmann durch Beobachtungen
in den Tropengegenden 15,6° gefunden.
3) Legt man 16° oder 6Vr° unterm Ho-