90 Doppelsterne.
kleinern Komponente zur großem auszu
drücken, hat ihn bittern Angriffen ausge
setzt, namentlich von seiten desPetersbur-
ger Mathematikers Fuß und des Wiener
Astronomen Hell. Man fand es unwahr
scheinlich, daß ein an sich dunkler Körper
(der Trabant) noch aus so ungeheurer
Entfernung im reflektierten Licht sichtbar
sein sollte. Indessen hat Mayer keines
wegs den Satz, daß die kleinen Sterne,
welche den großen so nahe stehen, an sich
dunkle, von den großen erleuchtete Kör
per seien, als die einzige Möglichkeit hin
gestellt, sondern er hat es als gleichmöglich
betrachtet, daß der Hauptstern und sein
Begleiter zwei umeinander kreisende,
selbstleuchtende Sonnen seien. Im ganzen
haben Mayers Arbeiten ihrer Zeit wenig
Beachtung gefunden, und erst in spätern
Jahrzehnten ist, namentlich durch W.
Struve und Mäkler, ihr Wert erkannt
worden.
3) Eine großartige Förderung unsrer
Kenntnis verdanken wir dem ältern He r-
schel. Seine Beobachtungen reichen zu
rück bis zum Jahr 1779 und zum Teil
noch weiter. Ursprünglich war es das In
teresse an der Bestimmung der Parallaxe
des größern, vermeintlich nähern Sterns
in solchen Paaren, das ihn veranlaßte,
ein möglichst vollständiges Verzeichnis
aller dieser Objekte zu entwerfen. 1782
legte er der Londoner Königlichen Gesell
schaft seinen ersten Doppelsternkatalog
von 269 Nummern vor. Herschel teilte die
D. nach der Distanz ihrer Komponenten
in sechs Klassen; von jenen 269 Doppel
sternen gehören nun zur
I. Klasse, nur durch die kräftigsten Jnstru-
mente getrennt sichtbar. . .
24
II. -
bis zu 5 Sekunden Abstand .
38
III. .
5—15
46
IV. -
15—30
44
V. -
30—60
51
VI. °
1—2 Minuten
66
Durch zwei weitere Kataloge, welche
Herschel 1783 und 1804 der König
lichen Gesellschaft vorlegte, wurde die
Zahl der von ihm beobachteten D. auf
846 erhöht. Er hat nicht nur den
überwiegend größten Teil derselben ent
deckt, sondern auch genaue Bestimmungen
der Position und Distanz der kleinern
Komponenten eines jeden (vgl. Position)
sowie der Rektaszension und Dekli
nation deö Hauptsterns ausgeführt. Es
war aber nicht Herschels Art, nnr Ma
terial zu sammeln, sondern bei aller Vor
sicht, die dem exakten Beobachter ziemt,
schritt er phantasievoll von den Thatsachen
zu weitern Folgerungen. So machte er
kenn auch schon 1794 darauf aufmerk
sam, daß die ungemein große Zahl der
D. und die geringe scheinbare Entfer
nung der Komponenten (bei vielen noch
nicht 1 Sekunde) nicht die Annahme ge
statten, daß diese Erscheinung in allen
Fällen nur durch die zufällige Stellung
unsres Sonnensystems bedingt sei; viel
mehr sei der Fall, daß zwei Sterne so
genau in gerader Linie mit dem Sonnen
system stehen, wie erforderlich ist, um sie
dicht nebeneinander zu erblicken, unzwei
felhaft ein verhältnismäßig seltener, und
die große Mehrzahl der D. sei nicht bloß
optisch, d. h. in der angegebenen Weise,
eine Folge der Stellung der beiden, übri
gens weit voneinander entfernten Sterne,
sondern physisch, d. h. die beiden Sterne
stehen in näherer Beziehung und bilden
ein System, in welchem man im Lauf der
Zeit Bewegungen zu erblicken hoffen
dürfe, die denen der Planeten undMonde
ähnlich sind. Hierzu genügt es freilich
nicht, nach Art Chr. Mayers und der
ältern Astronomen durch Beobachtungen
im Meridian die Rektaszension und De
klination der Komponenten eines Doppel
sterns zu ermitteln, sondern es bedarf
genauer Messungen der scheinbaren Länge
und der Richtung der Verbindungslinien
beider Komponenten, wie solche nur
mit Mikrometerapparaten möglich sind.
Diese Messungen, nicht bloß die große
Zahl der Objekte, bilden daher einen we
sentlichen Fortschritt in den Beobachtun
gen Herschels gegenüber denen seiner
Vorgänger. Auch hatte er in der That
die Freude, bei einer neuen, 1802 unter
nommenen Durchmusterung seine Erwar
tung bestätigt zu finden, und in dem 1803
vorgelegten »Bericht über die Verände
rungen, welche in den letzten 25 Jahren
in der relativen Lage von Doppelsternen