Der Maßstab.
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1826 nahm E. H. Michaelis in seiner „Topographenkunst“ den Maßstab
1 : 500000 nicht bloß als einen wichtigen strategischen Maßstab an, sondern auch
als einen, bei dem „physische Topographie und Geographie in Berührung treten
dürften“. 1 Zunächst bezeichnet Michaelis den Maßstab 1 : 500000 als mittlern stra
tegischen Maßstab. Dies mochte für seine Zeit stimmen. Heute möchte ich ihn
als den kleinsten strategischen Maßstab bezeichnen. Obwohl der deutsche General
stab im Weltkrieg 1914/18 über eine Operationskarte in 1 : 800000 verfügte, um
noch ein halbwegs zusammenhängendes Bild der gesamten europäisch-kleinasiatischen
Kriegsschauplätze zu besitzen, so geschah dies doch auf Kosten der Deutlichkeit
und Verwendbarkeit der Karte. Dieser Maßstab dürfte fürderhin ganz fallen ge
lassen werden, insonderheit in strategischer Hinsicht. 1 2 Die Engländer haben für
gleiche Zwecke während des Weltkrieges die entsprechenden Sektionen der von
deutscher Hand vorbereiteten Weltkarte in 1:1000000 bearbeitet und benutzt.
150. Entwertung der Maßstäbe, neue Einteilung. Neue Zeitereignisse, neue
Bedürfnisse lassen Maßstäbe entwerten, deren Wert auf Jahrhunderte hinaus fest
zuliegen schien. Als am Anfang des vergangenen Jahrhunderts die französischen
Kommissionen über die Herausgabe der Karte 1 : 80000 berieten, glaubte man mit
diesem Maßstab allen militärischen und wirtschaftlichen Bedürfnissen gerecht zu
werden; und doch sank diese Karte 1: 80000 im Weltkrieg lediglich zur Übersichts
karte herab, ja, in dem langen Stellungskriege konnten nicht einmal mehr die Meß
tischblätter 1 : 25000 und 1 : 20000 genügen und man griff zu den großen Maßstäben
1 : 10000 und 1 : 5000, und der Minier- und Minen werferkrieg schraubte die For
derungen noch höher und verlangte Karten in 1 : 2000 und 1 : 1000. Darüber dürfte
man einig sein, daß die deutschen wie fremdländischen Karten in 1 : 25000 und ähn
lichem Maßstabe für viele Zwecke des modernen Krieges nicht mehr genügen, aber
auch nicht für viele Bedürfnisse des gesteigerten Wirtschaftslebens. Für Deutsch
land stellt sich die Herstellung einer topometrischen Grundkarte in 1 : 5000 immer
mehr als Naturzwang dar (s. § 85ff.).
An der Auffassung von Michaelis, daß sich im Maßstab 1 : 500000 topographische
und geographische Karte berühren, hat sich bis heute wenig geändert. Als 1898
die 500000teilige Karte des Deutschen Reichs von C. Vogel beendet worden war, hatte
man ihre Bedeutung für militärische, touristische, technische und andere Zwecke
gewürdigt und behauptet, daß durch sie die weite Lücke zwischen der Generalstabs
karte des Deutschen Reichs in 1:100000 und den viel kleinern Spezialkarten der
Atlanten infolge des gewählten Maßstabes in der glücklichsten (übrigens in Frank
reich und Italien bereits bewährten) Weise ausgefüllt werde. 3
Die Karten, die großem Maßstab als 1 : 500000 haben, faßt man bis zur Grenze
von 1 : 200000 als topographische Übersichtskarten zusammen 4 , als topo
1 H. Wagner: Der Kartenmaßstab. Historisch-kritische Betrachtungen. S.-A. aus Z. D. Ges.
f. Erdk. Berlin 1914, S. 11.
2 Diese lediglich für Heereszwecke bestimmte, behelfsmäßig hergestellte Operationskarte wird
jetzt umgearbeitet und von der Landesaufnahme zu Berlin als „Übersichtskarte von Europa 1:800 000“
herausgegeben.
3 Über die praktische Bedeutung der Vogelschen Karte hat sich J. Partsch in der „Schle
sischen Zeitung“ im ähnlichen Sinne ausgesprochen; vgl. C. Vogel in P. M. 1893, S. 240.
4 Carte de France 1:320000, Liebenows Karte von Mitteleuropa 1:300000, Topographische
Übersichtskarte des Deutschen Reiches 1:200000 u. a. m.