Kartenschrift und Kartennamen.
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Karten immer ein kritischer Kopf und hat sich des öftern und an verschiedenen Orten
über falsche geographische Namen ausgesprochen. Am meisten ärgerte er sich über
die Schreibung von Alschier mit „g“; „letzteres pflegen ja ziemlich alle Deutschen
so zu halten, obwohl in diesem französischen g neben deutschem Dehnungs-e ein
großer Rattenkönig sprachlicher, geschichtlicher und geographischer Ignoranz ver
steckt ist“. Kirchhoff wußte jedoch nicht, daß „Algier“ bereits seit zwei Jahrhunderten
auf deutschen Karten geschrieben wird. Seit jenen Tagen, da Kirchhoff Kritik übte,
ist es einigermaßen besser geworden, manche falsche Bezeichnungen sind von den
Karten fast ganz verschwunden, so für Kaspisches Meer der Name Kaspi oder Kaspi
See, der so fehlerhaft ist, als wenn man für Adriatisches Meer Adriati oder gar Adri
sagen würde. 1 Häßlich sind ferner die Bezeichnungen Pazifik, Atlantik und
Indik wegen ihrer undeutschen Endungen. 1 2
Bereiten schon die Transkriptionen der Namen der Völker, die von Haus aus
lateinische Buchstaben anwenden, mancherlei Schwierigkeiten, so steigern sie sich
bei der Umschrift zyrillischer Lettern. Österreich hat dies genugsam bei seinen
offiziellen und nicht offiziellen Karten empfunden. Die Erfahrungen, die man in
Österreich gemacht, sind ein brauchbarer Wegweiser für die Methode der Transkription. 3
Man hat, um einen Ausgleich zu schaffen, das serbokroatische Alphabet als Norm
der Umschreibung zugrunde gelegt, für die russischen Ortsnamen dagegen das pol
nische Alphabet, da es sich besser als das serbokroatische zur Übertragung der rus
sischen Laute eignet und das russische Grenzgebiet ehemals polnische Landesteile
umfaßt. Die kroatische Schrift hat den Vorteil, daß sie sich leicht liest und auf den
Karten wenig Kaum erfordert. Auf der Generalkarte des Königreichs Böhmen von
J. E. Wagner 4 ist die Benennung der Orte nach dem Prinzip durchgeführt, daß an
erster Stelle der von den Einwohnern des Ortes selbst gebrauchte Name steht und
darunter in kleiner Schrift der Name des Ortes in der zweiten Landessprache, wo
ein solcher gebräuchlich ist.
Ein kaum entwirrbares Chaos von Namenschreibungen sehen wir auf den
Landkarten Chinas, denn auf ihnen begegnen uns die chinesischen Namen in
portugiesischer, spanischer, französischer, englischer, russischer und deutscher Schreib
1 Pr. Bromme, der Herausgeber des „Atlas zu Alex. v. Humboldts Kosmos“ (Stuttgart 1851)
redet in dem erklärenden Text (S. 96, 98, 99) nur vom „Caspi“ oder „Caspi-See“; auf den Karten
steht ganz richtig „Caspischer See“ oder „Caspisches Meer“. Selbst namhafte Forscher gebrauchen
heute noch die Ausdrücke „Kaspi“, „Kaspi-See“ und „Kaspi-Becken“, wie A. Penck in seiner „Morpho
logie der Erdoberfläche“, II. Stuttgart 1894, S. 246ff„ ferner J. Walther: „Das Oxusproblem in
historischer und geologischer Beleuchtung“, P. M. 1898, S. 204 —214; und Fr. v. Wieser in den er
klärenden Worten zu: „Die Weltkarte des Albertin de Virga“. Innsbruck 1912. — Über allerhand
Inkonsequenzen in der Schreibung geographischer Namen vgl. E. J. Wölfel: Bemerkungen zu geo
graphischen Lehr- und Schulbüchern, Karten usw., Freiberg 1902. Progr. Nr. 598; bes. jedoch Wes-
singer, Witte und Herbers: Beiträge zur Namenverbesserung der Karten des Deutschen Reiches.
Mit einem Schlußwort von A. Kirchhoff. Leipzig 1892.
2 Die Bezeichnungen sind aus dem Englischen herübergeholt. Penck gebraucht sie gleichfalls
in seiner „Morphologie der Erdoberfläche“, wie auch Boguslawski, S. Günther, J. Walther u. a. m.
O. Krümmel, auch sprachlich ein feinfühlender Gelehrter, hatte sich gegen diese Unsitte gewandt;
vgl. Handbuch der Ozeanographie. I. Stuttgart 1907, S. 21.
3 Bei den geographischen Namen der Balkanhalbinsel hatte man es allein mit folgenden Sprachen,
deren jede wieder mehrere Mundarten aufweist, zu tun: Serbokroatisch, Bulgarisch, Makedoslawisch,
Rumänisch, einschließlich Zinzarisch, Griechisch, Albanisch und Türkisch.
4 In 4 Blättern in 1:220000. Prag s. a. (2. Aufl. 1898.)