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Die Landkarte und ihr Gelände.
gebiet der Kriegswissenschaft, wenn auch die äußern Anlagen infolge der Flieger
aufklärung und Fliegerphotographie nicht mehr in dem Grade wie einst geheim
gehalten werden können.
Die wirtschaftlichen Fragen, die das Ende des Siebenjährigen Krieges in Fluß
gebracht hatte, erheischten eine Menge guter Karten, daß sich die meisten Kultur
staaten gezwungen sahen, gegen Ende des 18. oder Anfang des 19. Jahrhunderts
das Messen und Aufnehmen, wie auch viele topographische Karten frei zu geben.
Wie man zunächst zaghaft daran ging und sich sträubte, die genaue Kenntnis des
Landes weitern Kreisen zugänglich zu machen, beweist die von Schütz und Müller
1781—1787 ausgeführte Karte „Oberösterreichs“; sie beruhte auf einer guten Militär
aufnahme der Jahre 1769—1772, aber das Terrain wurde nicht in Grundriß-, sondern
in perspektivischer Hügelmanier ausgeführt. 1 Dagegen vergleiche man die Gilde-
meister-Heinekensche Karte des Gebiets der Deichs- und Hansestadt Bremen aus
dem Jahre 1798, die mit der Karte von Bohnenberger (S. 227) die ersten in Deutsch
land sind, die auf einer wissenschaftlich durchgeführten Landesaufnahme beruhen. 1 2
Als Merkwürdigkeit mag erwähnt sein, daß die Generalstabskarte von Schweden bis
1857 geheim gehalten worden ist. Die Originalaufnahmen in den Maßstäben 1 : 25000
bis 1 : 50000 der Öffentlichkeit zu übergeben, dieser Gedanke wurde erst 1866 in Belgien
befolgt; 1870 folgte die Schweiz mit der Veröffentlichung des Siegfriedatlas, die einzelnen
deutschen Staaten schlossen sich an. Außerdeutsche Staaten hinken langsam hinter
her. Frankreich hat nur wenige Originalaufnahmen (Minutes) in 1 :40000 und
1 : 20000 veröffentlicht.
Das Vermessungs- und Aufnahmewesen war 1763 in Österreich an den General
stab übergegangen, in Preußen erst 1816; bis dahin hatte das preußische statistische
Bureau die Aufnahmen geleitet. In Deutschland, Österreich und Italien war das
Karten wesen seit alters her ein wichtiger Teil der Kriegs Wissenschaft. Wenn jedoch
gesagt wurde: „Der Soldat lernte zuerst gute Karten machen“ 3 , ist das nur bedingt
richtig. Gewiß, der Soldat hat uns prächtige und genaue Karten geliefert, man denke
nur außer an die bei den guten französischen Karten genannten französischen Offiziere,
ferner an den Grafen v. Schmettau 4 und dessen Vater, den Generalfeld zeugmeister,
ferner an den preußischen Ingenieur (wie damals die Bezeichnung in der Topo
graphie war) Major Geyr, die Obristen v. Tempelhof und v. Pfau, den Major v. Mann
1 K. v. Haradauer, a. a. O., S. 274.
2 Vgl. W. Wolkenhauer: Ein Jubiläum bremischer Kartographie. Weserzeitung vom 30. De
zember 1898.
8 So W. Stavenhagen: Die geschichtliche Entwicklung des preußischen Militärkartenwesens.
G. Z. 1900. S.-A. S. 5. — Dagegen hat sich schon E. Hammer gewandt in P. M. 1902. LB. 614.
S. 178. — s. auch oben S. 17, 226ff.
4 Die Karten des Grafen v. Schmettau werden als Schraffenkarten öfters zitiert, indes artet
die Schraffe bei ihm zu sehr noch in Schwungstrichen aus. Die berühmten Kartenwerke, die wir unter
Schmettaus Namen kennen, sind: Topographisch Oeconomisch Militaerische Charte des Herzog
thums Mecklenburg-Schwerin und des Pürstenthums Ratzeburg, auf Kosten u. Befehl Sr. Durch
laucht des regierenden Herzogs von Mecklenburg-Schwerin aufgenohmen und Sr. Majestät dem König
von Preußen zugeeignet. 16 Tafeln. — Karte des Herzogthums Mecklenburg mit seinen versch. Pro
vinzen als des eigentl. Herzogthums Mecklenburg, der Fürstenthümer Wenden, Schwerin, Ratzeburg,
der Grafschaft Schwerin, und der Herrschaften Rostock und Stargard, wie auch der Herrschaft Wismar,
des Schwedischen Pommern und der Insel Rügen, nebst einem Theile der angrenzenden Preussischen,
Hannöver’schen, Hollsteinischen und Lübeckischen Länder. Sr. Durchlaucht dem regierenden Herzog
Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin zugeeignet. 1 Karte. Berlin u. Wien 1788—1794.