Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Landkarte und ihr Gelände. 
worden 1 , indessen waren erst Leuzinger und Fr. Becker der Lösung des Problems 
näher gekommen. Die. Leuzingersche Beliefkarte der Schweiz in 1 : 500000 ist die 
erste mit Kurven, mithin die erste in ,,Schweizer Manier“. Leider lasten die kräftige 
Schrift und Situation zu schwer auf der Geländedarstellung. Becker arbeitete von 
vornherein in großem Maßstäben und kam zu günstigem Ergebnissen. Zunächst 
war es die Karte des Kantons Glarus in 1 : 50000, die 1888 auf Grundlage der Ziegler- 
schen Karte neu bearbeitet worden war. 1 2 In gleicher Weise war die Beliefkarte der 
Albiskette in 1 : 25 000 behandelt worden. 3 Damit wurde eine neue schöpferische 
Ära auf dem Gebiete der Kartographie eröffnet; mit der topographischen Zeichnung 
wurde ein landschaftliches Kolorit verbunden. Becker hatte die Forderung auf- 
gestellt, daß die zur Terraindarstellung dienenden Farbentöne nicht willkürlich aus- 
gewählt, sondern dem natürlichen Landschaftsbild entnommen sein müßten. Seine 
beiden Karten verwenden dementsprechend ein stumpfes Grün in mannigfaltigen 
Abstufungen des Helligkeitgrades. Wohl ist dadurch ein ganz hübscher plastischer 
Effekt erreicht worden, jedoch wirken die grünen Farbtöne nichts weniger als 
natürlich. Dagegen kommt Bandegger einer natürlichen Frische schon mehr ent 
gegen, indem er auf seinen Karten von St. Gallen und Appenzell vom Jahre 1890 
und des Kantons Thurgau lichtere, d. h. mehr gelbliche und bräunliche Farbtöne 
verwendet. An der weitern Ausgestaltung und Vervollkommnung der Schweizer 
Reliefkarten arbeitete außer Becker vor allem Hermann Kü mm er ly. Beide im 
Verein haben das geschaffen, was in der Schweiz seit länger als einem halben Jahr 
hundert erstrebt worden war: eine naturgemäße, farbenprächtige, in ihrem hypso 
metrischen Gefüge durchsichtige Karte der Schweiz. 
Sämtliche Bestrebungen und Versuche nach plastisch wirkenden Karten gipfelten 
in der auf Veranlassung des Departements des Innern im Topographischen Bureau 
angefertigten Schul Wandkarte der Schweiz in 1 : 200000, von Fr. Becker und 
Kiimmerly bearbeitet und in der kartographischen Anstalt von H. Kümmerly 
und Frey in Bern technisch ausgeführt und gedruckt (1901). Man geht kaum fehl, 
wenn man sie als die (bis jetzt) gelungenste und farbenprächtigste aller plastisch 
wirkenden Wandkarten hinstellt. Darüber liegen übereinstimmende Urteile der ver 
schiedensten Länder vor. In diesem Meisterwerk kartographischer Farbenplastik 
ist die reliefartige Wirkung ohne Anwendung von dunkeln Farben erzielt worden. 
Das Schwarz ist der Schrift und dem Gerippe Vorbehalten. In frischen lebhaften 
Farben, die an das Spektrum erinnern und unter denen die rötlichen vorherrschen, 
tritt uns das Hochgebirge entgegen; nach tiefer gelegenen Geländeteilen geht das 
Gelb in Grün über, das bei 500 m dem Graublau der Talsohlen weicht. Ein zarter 
blauvioletter Ton liegt über die Täler gebreitet, daß sie wie in feinem Hauche nieder 
getaucht erscheinen, als ob wir sie aus großer Ferne sähen. Das ganze Farbenspiel 
ist der Landschaftsmalerei abgelauscht. In der Tat nähert sich die Karte einem 
realistischen Landschaftsgemälde. Das beabsichtigten auch ihre Bearbeiter, unter 
denen Becker in großer Bescheidenheit dem Lochmann das größte Verdienst bei 
mißt. 4 Indes ist Becker doch der Spiritus rector des Kartenwerkes; er hatte zur 
1 Pr. Becker: Die schweizerische Kartographie. Frauenfeld 1890, S. 26—30. 
2 Gedruckt und verlegt bei Wüster, Randegger & Cie. in Winterthur. 
3 Gedruckt und verlegt bei Hofer & Burger in Zürich. 
4 Fr. Becker: Die schweizerische Kartographie i. J. 1914. Landesausstellung in Bern. Wesen 
u. Aufg. einer Landesaufnahme. S.-A. aus Schweiz. Z. f. Artillerie u. Genie. Frauenfeld 1915, S. 34.
	        
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