Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Die Meisterjahre in der Geländedarstellung von der Mitte des 19. Jalirh. bis zur Gegenwart. 493 
Beurteilung der Karte eine Magd und ein fünfjähriges Kind herbeigezogen, und wenn 
sie verstanden, was die Karte darstellen sollte, dann fand er es für die Karte richtig. 1 
So ist die Karte so recht eine Volkskarte geworden, was auch ihre Herausgeber 
beabsichtigten. Das Gelände der Schweizer Karte ist außerdem noch mit Schicht 
linien im Abstand von 100 m, in flachem Gelände von 50 m überzogen, womit einer 
gewissen wissenschaftlichen Anforderung Genüge geleistet wird. Wie sich auf der 
Dufourkarte die Mittelgebirgsformen des Jura vom übrigen Kartenbilde merkwürdig 
unterscheiden und reumütig zur Lehmannschen Schraffenmanier übergegangen sind, 
so hat auch der Zeichner der Schweizer Wandkarte mit der Darstellung der gleichen 
Formen zu kämpfen, damit sie neben dem Hochgebirge nur einigermaßen reputier- 
lich erscheinen. In Anlehnung an die Schweizer Karte erschien im gleichen Verlage 
die Schulwandkarte des Kantons Bern. 1 2 Nur das Grün der Ebenen ist satter und 
die Belieftöne Orange und Violett sind ausschließlich für die höhern Erhebungs 
formen aufgespart. In ähnlicher Ausführung reiht sich die Kümmerlykarte von 
Vorarlberg in 1 : 75000 an. 
Entwicklungsgeschichtlich würden sich an die Höhenschicht karten und die 
hochbildartigen Schweizer Karten die farbenplastischen von K. Peucker anschließen. 
Doch stehen diese selbst noch am Anfang ihrer eignen Entwicklung und haben 
wissenschaftlich neue Bahnen betreten, darum sollen sie bei den wissenschaftlichen 
Grundlagen der Geländedarstellungen eingehender gewürdigt werden. 
286. Die wahren Ilochbildkarten und die Pseudohochbildkarten. Die Schweizer 
Wandkarte hat eine derartig gute plastische Wirkung, daß man zu glauben versucht 
ist, ein Hochbild hätte der Bearbeitung zugrunde gelegen, wie es z. B. reichlich hundert 
Jahre früher bei dem Atlas Suisse von Meyer und Weiß 3 der Fall gewesen ist, dem 
das Belief von Joachim Eugen Müller vorlag. Indessen setzen die eigentlichen Belief- 
karten erst nach 1850 ein, nachdem die Photographie ihre Dienste der Kartographie 
zur Verfügung gestellt hatte. Dabei fanden die nach schräg beleuchteten Modellen 
hergestellten Karten warme Vertreter, unter andern F. Chauvin, F. W. v. Egloff- 
stein, J. G. Lüdde 4 u. a. m. Gegen sie, zunächst gegen Egloffstein, wendet sich 
E. v. Sydow. 5 1864 kam Mittermaier in Darmstadt mit einer Karte von Madeira 
in 1 :197485 heraus. Die Karte ist nach einem Modelle gefertigt, das auf guten Karten 
quellen beruht; der Höhenmaßstab wurde lV 2 mal vergrößert und das Modell bei 
schrägem Lichteinfall photographiert. Damit glaubte Mittermaier ein neues System 
der Geländedarstellung erdacht zu haben, was ihm jedoch schon E. v. Sydow ver 
wies. 6 Fast zu gleicher Zeit kommt Galton mit seinen stereoskopischen Karten 
bildern auf den Markt, das sind photographische Kopien von Beliefs, die durch das 
Stereoskop zu betrachten sind, um den vollen plastischen Effekt wiederzugeben. 7 
1 Nach einem Gespräche zwischen Becker und H. Habenicht (Gotha), worüber mir letzterer 
persönlich berichtete. 
2 Vgl. G. Stucki: Die neue Schulwandkarte des Kantons Bern. Ein Begleitwort. Bern 1903. 
3 Der Atlas erschien 1786—1802, s. S. 463. 
4 J. G. Lüdde: Die Sonne im Dienste der Kartographie. Neue Ausgabe bearbeitet von 
Fr. Matthes. Weimar 1874. 
5 E. v. Sydow i. P. M. 1858, S. 127. 
6 E. v. Sydow i. P. M. 1864, S. 475. 
7 In P. M. 1865, S. 198 wird auf den sehr bedingten wissenschaftl. Wert und die ebenso bedingte 
Brauchbarkeit gegenüber andern Karten hingewiesen.
	        
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