Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung. 
leuchtung die Zuflucht genommen. So sind die meisten derartigen Karten nicht 
in einer Manier, sondern in Mischmanier dargestellt. 1 Nur gelegentlich werden 
von der Kritik all diese Übelstände berührt. Bei vielen derartigen Kartengebilden 
ist es zuletzt auch schade, sie unter feine, kritische Sonde zu nehmen. Es ist nur 
bedauerlich, daß auf diese Weise das Gesetz von den Hemmungen des psychischen 
Mechanismus (s. oben) für Nichtkenner, d. h. in diesem Falle für Laien und Kinder, 
in schamloser Weise ausgebeutet wird. Gerade das Mundus vult decipi, ergo de- 
cipiatur sollte hier peinlichst vermieden werden. Immerhin springt doch das Gute 
aus diesen Betrachtungen heraus, eine erfreuliche Zukunftsperspektive offenbart 
zu sehen, daß die Aufgaben der Kartographie, insonderheit der Schulkartographie, 
noch lange nicht erschöpft sind. 
315. Die Anweiidujigsbereiclie von Böschungs- und Schattenschrafle. Trotz 
aller Mängel, die der schrägen Beleuchtung anhaften, wird sie einen dauernden Platz 
in der darstellenden Kartographie behaupten, ganz gleich, ob man ihr ein wissen 
schaftliches Mäntelchen umhängt oder nicht. Die Belichtungsgesetze zeigen und 
lehren, daß da, wo Schatten mit dem grellsten Licht zusammenstoßen, sie am dunkelsten 
wirken. Wo viel Licht, da viel Schatten, sagt nicht umsonst der Volksmund. Be 
kanntlich sind in jeder Landschaft die Schattenwirkungen in der Nähe stärker als 
in der Ferne, wo Licht und Schatten zuletzt Grau in Grau ineinander überfließen. 
Auf die horizontal projizierten Gebirge übertragen, werden die Teile den stärksten 
Schatten erhalten, die dem darüber gedachten Beobachter am nächsten zu liegen 
scheinen; die beleuchtete Bergseite wird ihm „je höher desto heller“ erscheinen und 
die andere „je höher desto dunkler“ (gleichsam eine Verquickung der beiden Prin 
zipien der Höhenschichtendarstellung). Die Böschungsschraffe befolgt nur ein Prinzip 
klar und scharf: „Je steiler desto dunkler.“ Im Grat stoßen beide Bergseiten scharf 
zusammen. Darum hier der größte Gegensatz und damit die größte Wirkung. In 
den Ketten der Alpen haben wir in der Hauptsache scharfgratige Berge vor uns, 
und selbst da, wo sich von Natur aus die Seiten weniger nach der Höhe zu schärfen 
oder in Felsen auskeilen, werden die Kämme bei der Verjüngung der Karte als scharf - 
gratig dargestellt. Darum ist es natürlich, ja kartographisch zweckmäßig, diese 
Bergformen in schräger Beleuchtung wiederzugeben, um so die Anschauungskraft 
des Bildes zu erhöhen. Gerade in der Veranschaulichung der Höhe liegt der Vorzug 
dieser Geländedarstellungsart gegenüber der reinen Schraffenkarte. So Vorzügliches 
die Böschungsschraffe bis 45° Neigung bei den wechselreichen Formen von Plateaus 
und Gebirgsrücken im Mittelgebirge leistet, so verliert sie bei Neigungen des Hoch 
gebirges, die über 45° hinausgehen, mählich an plastischer Kraft, wie auch bei lang- 
anhaltenden Böschungen. Darum wird man bei der Anwendung beider Arten immer 
von Fall zu Fall zu entscheiden haben; ja, es würde geradezu töricht sein, nicht das 
Mittel zu wählen, was am besten seinen Zweck erfüllt. So wird auch hier die Zweck 
bestimmung und der Maßstab (letzterer erst an zweiter Stelle) das Ausschlaggebende. 
Eigentlich ist das eine Binsenweisheit, aber man glaubt nicht, wie oft sie schon gesagt 1 2 
1 Nur in dieser Verbindung darf man von „gemischter Manier“ oder kurzweg „Mischmanier“ 
sprechen, nicht etwa bei der Verbindung von Schraffen mit Isohypsen, wie wir in J. Rogers „Gelände 
darstellung auf Karten“, München 1908, S. 103 lesen. 
2 So unter andern von Eng. Oberhummer in seinem Vortrag über Gebirgskarten, VII. Intern. 
Geogr.-Kongreß, Berlin 1899. II. Berlin 1901, S. 96.
	        
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