Die Schichtlinie an sich.
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Daß die Terminologie für die hypsometrische Linie so reich ist, will mir nicht
als Zufall dünken. Es steckt darin ein reichliches Maß der Wertschätzung ihr gegenüber
und das Streben, mit jeder neuen Bezeichnung ihr gesamtes Wesen so viel wie möglich
mit einem Wort zu umfassen, denn nicht oft deckt sich Namen und Wesen so auf
fallend wie in vorliegendem Geländebauelement. Außerordentlich schwer hält es,
sich auf einen einzelnen Ausdruck festzulegen, da eigentlich kaum ein einziger ein
Mißverständnis aufkommen läßt und jeder schon durch den Wortsinn ein eindeutig
definierter Begriff ist. Am liebsten gebrauche ich die Bezeichnung Schichtlinie,
da sich weiter daran „Schichtlinienkarten“ und „Höhenschichtkarten“ sehr gut an
schließen. Daß es sich bei der Geländedarstellung nur um parallel zur Erdkrümmung
verlaufende Schichtlinien und Schichten handelt, bedarf keiner weitern Erläuterung.
Mithin ist eine Verwechslung mit den geologischen Schichten ausgeschlossen und des
weitern mit den Streichlinien und geologischen Grenzlinien. E. Hammer, P. Kahle 1
gebrauchen vorzugsweise Höhenlinie. Höhenlinie wird in der physischen Geographie
für Aufrißerscheinungen gebraucht. Auch in der Pflanzen- und Tiergeographie spricht
man von Höhenlinien, bzw. Höhengrenzen. Einen merkwürdigen Vorschlag macht
E. Kohlschütter, „für alle Linien, die mit mehr oder weniger Annäherung Punkte
gleicher Höhe verbinden oder Schichten aus dem Gelände herausschneiden sollen,
also Höhenlinien, Isohypsen, Gefällinien, Böschungslinien und ähnliche ganz all
gemein Schichtlinien zu sagen.“ 1 2 Gelegentlich eines Vortrags über Kolonialkarto
graphie habe ich dies schon zurückgewiesen. 3 So sind, um nur eins herauszugreifen,
die Gefällinien stets solche Linien, die in der Bichtung des stärksten Gefälles ver
laufen, also von oben nach unten; es sind eben Fallinien und nimmermehr Schichtlinien.
Ob unter dem Plural „Schichtlinien“, „Isohypsen“ zugleich die Äquidistanz
der Linien zu verstehen ist, erscheint nicht immer klar, wenn es auch von vielen
als sicher vorausgesetzt wird. Auf jeden Fall ist es kein Fehler, wenn die Gleich -
abständigkeit besonders betont, bzw. in der Legende bekundet wird, denn wir
werden sehen, daß es genug Isohypsenkarten gibt, die keine Äquidistanz der Schicht
linien bewahren.
Das Wesen der Schichtlinie wird noch besser erfaßt, wenn wir sie in Gegensatz
zur Schraffe und verwandten Darstellungsmitteln bringen. Schraffe, Schummerung
und Punkt können ästhetisch und anschaulich vollkommen befriedigen, nicht jedoch
wissenschaftlich, hinwiederum die Schichtlinie wohl wissenschaftlich, nicht aber
ästhetisch-anschaulich. Um anschaulich und ästhetisch zu wirken, mußten die erst
genannten Darstellungsmittel eine lange Zeit der Entwicklung durchlaufen und dazu
verschiedene Methoden und Manieren erfinden und erproben, w r obei auch eine wissen
schaftliche Anreicherung nicht leer ausging, dagegen war die Schichtlinie von vornherein
der graphische Ausdruck eines wissenschaftlichen Prinzips, das nur ein Übriges voll
bringt, wenn es sinnliche und plastische Wirkung erstrebt. Es brauchte nicht nach
einer Darstellungsform zu ringen, sie war in der Linie gegeben.
1 P. Kahle begründet vom geologischen Standpunkt aus die Bezeichnung „Höhenlinie“.
Vgl. G. A. 1920, S. 220, Anm.
2 E. Kohlschütter: Triangulation und Meßtischaufnahme des Ukingagebirges sowie all
gemeine Bemerkungen über koloniale topographische Karten. Mit. aus d. Deutsch. Schutzgebiet. XXI.
Berlin 1908, S. 109.
3 M. Eckert: Die deutsche Kolonialkartographie. Verhandlgn. des Deutsch. Kolonialkongresses
1910. Berlin 1910, S. 43.
Eckert, Karten Wissenschaft. I,
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