Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Die Zahl als Hilfsmittel in der geographischen Forschung. 
129 
Eckert, Karten Wissenschaft. II. ^ 
entbehrlicher zu werden scheint.“ 1 Mit diesen Worten zielt Ritter auf Methoden 
hin, wie sie späterhin nicht bloß durch die Geographie, sondern noch mehr von der 
Statistik ausgebildet worden sind, obwohl er die Statistik selbst noch als eine Staats 
wissenschaft gegenüber der geographischen Wissenschaft betrachtet wissen will, 
eine Auffassung, der man länger als ein Jahrhundert huldigte, und die noch bei 
Meitzen ankhngt: „Die Geographie urteilt von der Gesamtheit der Eindrücke eines 
bestimmten Punktes über das, was ihr unsicher bleibt und vermutet dort induktiv 
das Typische. Die Statistik durchsucht ihr gesamtes Arbeitsfeld nach bestimmten 
Einzelheiten, von denen keine verborgen bleiben darf, vermag aber keinerlei andern 
Eindruck zu beachten. Beide können ihre Ergebnisse gegenseitig nützen, aber die 
Methoden, wie sie dieselben gewinnen, sind so grundverschieden, daß der Geograph 
als solcher kein Statistiker und der Statistiker kein Geograph ist und sein soll.“ 1 2 
Gewiß sind die Methoden des Statistikers und des Geographen verschieden, aber 
nach einzelnen Richtungen nicht so grundverschieden, daß der Geograph bei seinen 
Untersuchungen sich statistischer Methoden ganz entschlagen müßte, und hinwiederum 
der Statistiker der Gedankengänge und Mittel, die ihm die Geographie bietet. 
Übrigens ist die moderne Wissenschaft bereits über Meitzens Auffassung hinweg 
geschritten. 
40. Das Gesetz der großen Zahl. Weil die Statistik es mit den Erscheinungen 
im wirtschaftlichen und sozialen Leben des Menschen zu tun hat, also die Ergebnisse 
der menschlichen Handlung verfolgt, wird sie in Gegensatz zu den Naturwissenschaften 
gestellt, da letztere es in der Hauptsache mit der Auffindung von Naturgesetzen 
zu tun haben. 3 Diese Auffassung wird mit dem Ausspruch von G.Rümelin (Zur Theorie 
der Statistik) erhärtet: „Im Reiche der Natur ist das Einzelne typisch, in der Menschen 
welt individuell.“ Mag das letztere stimmen, ist das erstere entschieden zu be 
schränken, denn in der Natur treten uns eine Anzahl von Einzelerscheinungen ent 
gegen, die in ihrer Einzelheit durchaus nicht als typisch bezeichnet werden können. 
Erst aus einer Reihe von beobachteten Teilerscheinungen kann auch in der Natur 
Typisches erfaßt und erkannt werden. Es sei einstweilen nur an meteorologische 
Phänomene erinnert. Hier tritt die statistische Methode in ihr geographisches Tätig 
keitsbereich und hilft Regelmäßigkeiten auffinden und deren Ursachen ermitteln. 4 
Ganz der Aufgabe der statistischen Methode gemäß werden die nebensächlichen 
und zufälligen Einflüsse durch die ausgleichende Wirkung von Massenbeobachtungen 
beseitigt, dagegen die konstant wirkenden, eben die typischen Momente, ins rechte 
Licht gerückt. Die statistische Methode befolgt somit das Gesetz der großen Zahl, 
das ich im Hinblick auf die Art und Weise seiner Anwendung in imperative Form 
kleiden möchte: Zum Verschwinden der zufälligen Einzelheiten und zum 
1 C. Ritter: Bemerkungen üb. Veranschaulichungsmittel räumlicher Verhältnisse bei gra 
phischen Darstellungen durch Form u. Zahl. Abh. d. K. Akad. d. Wiss. zu Berlin. Aus d. J. 1828. 
Berlin 1831, S. 22!). 
2 Aug. Meitzen: Geschichte, Theorie u. Technik der Statistik. Berlin 1886, S. 32. 
11 .1. Conrad, a. a. O., S. 26. 
4 Deshalb sagt ja J. R. Mucke (a. a. 0., S. VIII), daß man das numerische Hilfsverfahren, 
das zuweilen „statistische Methode“ genannt wird, mit gleichem Rechte „meteorologische Methode“ 
nennen kann. Ihm ist also die „statistische Methode“ nichts Spezifisches der Statistik, womit er 
mit der heutigen Auffassung über das Wesen der Statistik in Widerspruch steht.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.