8
Die See* und Meerkarte.
Die durch unzählige Fahrten abgeschätzte Entfernung bildete den Ausgangs
punkt zur Kartenkonstruktion der alten mittelalterlichen Seekarten, jetzt war es
das Küstenbild, von dem man bei der Zeichnung der Karte ausging. Die Gefahren
der Schiffahrt sind im Atlantischen Ozean größer und zahlreicher als im Mittelmeer.
Da hieß es aufpassen und sich genau die Gegend mit ihren Klippen, Felsen, Ort
schaften usw. merken. Aus den Küstenabbildungen entwickelten sich die Vertoonungen
(§ 16). Die Küste wurde so abgebildet, wie sie von See her gesehen wurde, also
im Aufriß. Darin mögen die ersten kümmerlichen Versuche einer Aufnahme be
standen haben. Für die Karte war damit noch wenig gewonnen, das Aufrißbild
mußte zum Grundrißbild und so nutzbar für ein Kartenbild werden, was denn auch
durch L. J. Waghenaers ,,Spieghel der Zeevaerdt“ 1584 geschah. Aber hinter
dem einfachen Grundriß wurde zum zweiten Male der Aufriß gezeichnet, mehr halb-
perspektivisch mit einem weiten Blick ins Landinnere als wie es das einfache Aufriß
bild bot. 1 Später hat man die Grundrißbilder aneinander gereiht und die Küsten
karte bzw. Seekarte war fertig. Die Arbeit ging nicht im rein mechanischen Sinne
vor sich, sondern man bedachte das Ganze und suchte hie und da auszugleichen.
Während man einmal die Aufrißbilder ganz von dem Grundriß trennte und auf Sonder
blätter verwies 1 2 , verzichtete man ein andermal ganz auf sie. 3
Wie oben bereits angedeutet, war offenbar der Kompaß für die Küstenaufnahme
ein unentbehrliches Instrument. Erst jetzt wurden die Karten das, was man viel
leicht als „Kompaßkarten“ bezeichnen kann, falls damit wirklich etwas Spezifisches und
Charakteristisches ausgedrückt würde. Die Rumben beherrschen noch das Feld bis ins
18. Jahrhundert hinein. Indirekt sind sie ein Konstruktionsmittel zur Karte geworden
(Küstenaufnahme!), direkt aber dienten sie wie ehedem zur Ortung (Orientierung)
und Distanzbestimmung. L. Friess sagte darüber bereits im 16. Jahrhundert:
„Diese riß oder linien nichts anders bedeuten denn die nadlen, nach welchen die
Marinalen ihre Schiffahrt richten von einen port zu dem andern, dahin sie dann fahren
wollen, auch nach welchen sie wissen den winden zu vn von zu geben, und so sie durch
ein fortun (Geschick) etwa viel meilen von ihrer fürgenommenen straße geworfen, daß
sie durch die (gedachten) linien wissen vm vff den rechten weg zu kommen, welches
alles durch diese linien beschehen muß.“ 4 Und in dem geographischen Handbuch von
M. Quad lesen wir, daß „der Kompaß nicht bloß den Schiffsleuten dienlich ist vber
die Meeren vnnd vber die offenbare See damit zu fahren, sondern auch dem Land
reisenden Mann in den Wildnissen vnnd großen Wüsten den Weg damit in der richte
zu halten“. Von dem „See Compast“ behauptet er, daß er 32 Striche erhalten habe,
nachdem die Seefahrt nach der neuen Welt eröffnet war 5 .
1 W. Behrmann, a. a. O., Karte II, die die Nordküste Spaniens zeigt.
2 Ganze Tafeln u. Seiten ausgefüllt mit Küstenansichten finden sich innerhalb des erklärenden
Textes zu Cl. Jansz. Voogt: Le nouveau et grand illuminant flambeau de la mer, Amsterdam 1717
(Imprimé chez Gérard van Keulen). — Auf dem Exemplar, das ich in der Société de Géographie
in Paris einsah, stand auf dem Titel die Bleistiftbemerkung „d’après J. C. Brunet, Amsterdam 1682“.
3 Hierher gehört vor allem : Le Neptune françois ou Atlas nouveau des cartes marines. Reveu
et mis par Pene, Cassini u. a. Paris, chez H. Jaillot 1693 (I. Bd.).
4 Laurentius Friess: Auslegung der mercarthen oder cartha marina. Darin man sehen
mag / wa einer in der weit sey / vnd wa ein ietlich Land / Wasser vnd Stat gelegt ist. Straßburg
1525, S. 3. [Co.-Bi. in Hamburg.] [Un.-Bi. Königsberg.]
5 Geographisch Handtbuch. In welchem die gelegenheit der vornembsten Lantschafften
des gantzen Erdtbodems in zwey vnd achtzig in Kupffer geschnittenen Taffeln furgebildt. Mit bey-
gefiigter notwendiger Beschreibung vnd auslegung derselben: also das jedes Landes art, natur, ge-