38
Zweites Kapitel.
Sätze, durch welche die beiden greisen holländischen Mathe
matiker und Physiker Willebrord Snellius (geh. 1580 zu
Leyden, gest. daselbst als Professor der Mathematik 1626),
namentlich aber Christian Huygens*) (geh. im Haag 1629,
gest. daseihst 1695) die Theorie der Kreismessung bereicherten.
Snellius und Huygens müssen als die ersten bezeichnet werden,
welche anfingen, die von Archimedes geschaffene Methode der
numerischen Rektifikation wesentlich umzugestalten und ihr
neue Gedanken zuzuführen. In dem schönen Buche „Cyclo-
metricus“ (Lugd. Bat. 1621) zeigte Snellius, dafs man für die
Bestimmung der Länge eines Kreisbogens nicht auf die ver-
hältnismäfsig doch weit auseinander liegenden Grenzen ange
wiesen sei, welche durch die zu dem Bogen gehörigen Seiten
des eingeschriebenen und umgeschriebenen Polygones geliefert
werden, sondern dafs man engere Grenzen angeben könne,
ohne genötigt zu sein, Polygone von gröfserer Seiten
zahl zu Hülfe zu nehmen.
Leider ist es Snellius nicht gelungen, die beiden Sätze,
welche das Fundament seiner Untersuchungen bilden, strenge
zu beweisen, sodafs später Huygens mit Recht dieselben in
seine klassische Abhandlung „De circuli magnitudine inventa“
(siehe § 15 ? Lehrsatz XII und § 16, Lehrsatz XIII dieser Ab
handlung) aufnahm, da die von ihm gegebene strenge Begrün
dung jener Sätze mit seinen eigenen Untersuchungen in dem
engsten Zusammenhänge stand.
Von der Richtigkeit seiner beiden Theoreme überzeugt
setzte Snellius die mit Hülfe derselben gewonnene grofse Ab
kürzung in folgender Weise in Evidenz (Cyclometricus, Prop. 31).
Bei Zugrundelegung des eingeschriebenen und umgeschriehenen
Sechseckes erhält man nach Archimedes für 7t die Grenzen 3
und 3,464. Mit Benutzung jener beiden Sätze aber kann man
für 7t bereits aus denselben Sechsecken die Grenzen 3,14022
und 3,14160 ableiten, welche sogar noch enger sind als die
von Archimedes mit Hülfe des 96-Ecks mühsam berechneten.
*) In bezug auf das Leben von Huygens siebe z. B. die von
G. J. ’s Gravesande verfafste Biographie in Huygens’ Opera varia (Lugd.
Bat. 1724),