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Fünfter Abschnitt.
riser Fuss haben, ein mit aller unserer Kraft emporgeworfener
Körper sich nur sehr wenig über unsern Kopf erheben. Selbst
wenn die Athmosphäre und alles Uebrige sich wie bei uns ver
hielte (was sicherlich nicht der Fall ist), so würden dennoch
alle unsere Pflanzen, durch die ungeheure Schwerkraft zurück
gehalten und niedergedrückt, dort knieholzartig am Boden
kriechen. Nur Titanen und Cyclopen, wie sie die alten Fabeln
uns vorführen, wären dort im Stande, Bauwerke aufzuführen
ja nur die gewöhnlichsten unserer Arbeiten zu verrichten,
Schluss: Kein einziges organisirtes Wesen auf der
Oberfläche der Sonne kann irgend einem auf unserer
Erde in physischer Beziehung ähnlich sein*).
§. 80.
Auf der Oberfläche der Sonne hat man Flecke beobachtet,
und aus diesen gefunden, dass sie sich in 25 1 / 2 Tagen um
ihre Axe drehe, dass diese gegen die Axe der Ekliptik 7 1 / 2
Grad Neigung habe und dass der aufsteigende Knoten des
Sonnenäquators in der Ekliptik in 78° der Länge liegt, der
entgegengesetzte also in 258°. Diese Rotationselemente sind
aber, aus weiter unten folgenden Gründen, bei weitem weniger
sicher als man nach der Grösse des Sonnenkörpers und der
Deutlichkeit, mit welcher die Flecke in der Regel sich dar
stellen, erwarten sollte.
Zu der Zeit also, wo sich die Sonne in einem dieser
Knotenpunkte befindet (beiläufig am 8. Juni und 9. December
jedes Jahres), erblicken wir den Aequator der Sonne und
dessen Parallelen, folglich auch die Wege der Flecke, als ge
rade Linien, die mit der Ekliptik und deren Parallelen Winkel
von 7 1 / 2 ° machen; zu andern Zeiten -müssen diese Wege
Ellipsen sein, die im Anfänge des März und September am
weitesten geöffnet sind, wiewohl auch alsdann die Abweichung
von der geraden Linie noch nicht sehr augenfällig hervortreten
kann. — Hat ferner ein Sonnenfleck seinen Weg einmal zurück-
*) Ich habe mir diese Abschweifung erlaubt, weil ich es für dienlich
halte, eine, wenn gleich bekannte, doch bisher wenig oder gar nicht
beachtete Differenz der AVeltkörper — die verschiedene Schwere
an der Oberfläche — in ihren Wirkungen auf die Xaturökonomie zur
Anschauung zu bringen. Wie Vieles ist nicht, mit Aufbietung alles
Scharfsinnes, über die Bewohner des Mondes, der Sonne, der Planeten
und Kometen in die Welt hinein geschrieben worden! und gleichwohl ver
missen wir in allen diesen Philosophemen fast durchweg die Berücksichti
gung der Schwere an der Oberfläche — d. h. beinahe des einzigen, was
wir über die Physik der Himmelskörper gewiss wissen.