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Dreizehnter Abschnitt.
aufgegeben; es ist also, wenn man einmal nacli „Weltjahren“
rechnen will, ziemlich gleich, von wo man ausgeht.
Etwas zuverlässiger sind die Zeitrechnungen, welehe die
Erbauung einer Stadt, den Anfang einer Dynastie u. dgl. als
Epoche setzen. Die Römer zählen von Erbauung Roms
(A. IL C.), so dass 1861 n. Ohr. = 2641 A. U. C. ist, doch
liegt eine Ungewissheit in diesem Zeitpunkte. — Die alten
Griechen zählten von Errichtung der olympischen Spiele, und
ihre Zählung ist nur um 23 Jahre von der altrömischen ver
schieden, um welche Zeit sie früher beginnt. — Die Türken
und die andern muhamedanischen Völker zählen von der Flucht
Muhameds vom 16. Juli 622 unserer Zeitrechnung an ; sie müssten
also 1861 ihr 1239 stes Jahr anfangen, während sie schon das
1277 ste haben: eine Folge der völligen Ausschliessung der
Sonne aus ihrer Jahresrechnung. Ein Türke von 100 Jahren
ist nach christlicher Rechnung erst 97 Jahre alt.
Neben dem hier erwähnten türkischen Kalender hat sich
indessen nicht blos bei den zahlreichen christlichen Einwohnern
des osmanischen Reichs, sondern auch bei den Muhamedanern
selbst, der christlich- (julianische) Geltung verschafft, da ein
Kalender, der gänzlich von den natürlichen Jahreszeiten
absieht, sich je länger je mehr als ungenügend darstellen muss,
je mehr die Culturverhältnisse eines Volkes fortschreiten. Sollte
daher auch eine 1844 veröffentlichte Verordnung des Sultans,
den julianischen Kalender allgemein einzuführen, nicht sofort
vollständig ausgeführt worden sein, so kann man dennoch mit
Sicherheit annehmen, dass der türkische Kalender in Konstan
tinopel bald nur noch zur Berechnung der Feste des Islam und
sonst nicht weiter in Anwendung kommen werde.
Die neuern Versuche Epochen einzuführen, z. B. die
während der französischen Staatsumwälzung ein geführte Zählung
vom Jahre der Republik (September 1792), gingen bald wieder
unter; die angeführte Zeitrechnung währte nur 14 Jahre.
Eine allgemeine Uebereinst immung der Völker ist bei der jetzigen
Sachlage schwer zu erwarten. Vielleicht datirt man einst vom
Ende der Kriege auf der Erdkugel; bis dahin aber, dass dies
geschehen kann, möge immerhin jedes Volk bei seiner bisherigen
Zählung bleiben: denn so lange das, was dem einen Volke
zum Ruhme gereicht, dem anderen als Demüthigung erscheinen
muss, wird man sich vergebens nach einer Epoche umsehen, die
eine wirklich allgemeine Einführung zu gewärtigen hätte.