VERMESSUNGSTECHNIK, 12. Jg. (1964) Heft 4
Betrachtungen zur rechnerischen Bestimmung der Modellpunkte
Von Prof. Dr.-Ing. habil. H. J OCHMANN (KDT), Technische Universität Dresden dk 528.721.122
Eine Teilaufgabe der analytischen Photogrammetrie ist
die Berechnung der Modellpunkte aus den gemessenen
Bildkoordinaten. Die Lösung dieser Aufgabe erfordert
einige Überlegungen, da infolge restlicher Orientie
rungsfehler und Fehler der Bildkoordinatenmessungen
sich homologe Strahlen in der Regel nicht schneiden
werden und demnach der Modellpunkt nicht als Schnitt
punkt zweier homologer Strahlen existiert. Man muß
daher bezüglich der Definition des Modellpunktes An
nahmen machen, die gewährleisten müssen, daß der be
treffende Punkt an einer Stelle liegt, an der sich beide
Strahlen möglichst nahe kommen.
Die mathematisch plausibelste Lösung ist zweifellos die
Annahme, daß das Mittel aus den Punkten auf beiden
Strahlen, die sich am nächsten kommen, der Modell
punkt ist. Geometrisch erhält man die beiden Teil
punkte, indem man als Verbindungslinie eine Gerade
definiert, die senkrecht zu den beiden homologen Ab
bildungsstrahlen steht. Die vorstehend dargestellte Lö
sung wird von verschiedenen Autoren (u. a. H e r g e t [1]
und R i n n e r [2]) als Teilaufgabe bei den von ihnen
angegebenen Methoden der analytischen Photogramme
trie benutzt. Sie kann als strenge Lösung bezeichnet
werden, und im allgemeinen werden sich bei ihr die
beiden Teilpunkte in allen drei Koordinatenwerten
unterscheiden.
Neben dieser wurde von S h u t [3] eine zweite Methode
zur Berechnung des Schnittpunktes in der analytischen
Photogrammetrie eingeführt, die voraussetzt, daß sich
die beiden Teilpunkte nur in y unterscheiden dürfen,
während ihre x- und z-Koordinatenwerte gleich sind.
Diese Lösungsmethode, die eine einfachere Berechnung
gestattet, wird nur gute Näherungswerte liefern, wenn
die x-Achse in Richtung der Basis liegt.
Die nach beiden Methoden berechneten Modellpunkte
werden sich in ihren Koordinatenwerten unterscheiden.
Die Größe dieser Differenz ist ein Maß für die Brauch
barkeit der zweiten Methode. In den folgenden Be
trachtungen sollen die Differenzen zwischen den nach
beiden Methoden berechneten Werten ermittelt werden,
um Grenzen für die Anwendung des Näherungsverfah
rens ziehen zu können.
1. Der Einfluß von Orientierungsfehlern
Nimmt man zunächst an, es liege der Normalfall der
Photogrammetrie vor, so kann man aus den Bildkoordi
naten der in den Punkten Oj und Oo (Bild 1) erhaltenen
Aufnahmen die Vektoren
Vl =
und
(1)
in Richtung der Abbildungsstrahlen berechnen. Für die
folgenden Untersuchungen kann angenommen werden,
daß nur x' 2 infolge restlicher Orientierungsfehler des
orientiert sei. Man erhält den desorientierten Vektor
nach
r 2 = 91 r 2
mit der Matrix
= ( d«
\ - d q>
— dx d<p \
1 da) I
— dco 1 /
(2)
(3)
Mit Gl. (1), (2) und (3) kann man den auf n liegenden
Teilpunkt nach der Formel
X' — Aj Ti = b + d b + Ä 2 v 2 "b fr (4)
berechnen. In Gl. (5) ist
die Basis im Bildmaßstab und
db«^d&,j (6)
sind Translationen von O2 gegenüber der idealen Lage
beim Normalfall, ebenfalls im Bildmaßstab. Der Vek
tor b gibt die Differenz zwischen den beiden Teilpunk
ten £ und j" an. Er muß entsprechend der gewählten
Berechnungsmethode festgelegt werden.
1.1. Strenge Lösung
Die strenge Lösung hat zur Voraussetzung, daß b senk
recht zu ri und 12 stehen soll, d. h.
bl -*.-*!**
*ixt 2 |
Aus Gl. (4) ergibt sich mit Gl. (7)
(7)
di = — (b + db)
L x v 2
|ti x r 2 | *
(8)
Die Faktoren h und ¿2 erhält man aus Gl. (4), nach
dem bi durch skalare Multiplikation mit ti und 12 eli
miniert wurde, zu
((b + db)rx)r| - ((b + db)r 2 ) (r t r 2 )
xf r| - (ri r 2 ) 2
(9)
((b 4 dblrQfat,)- ((b + db)t 2 )r 2
v? r§ - (r x r 2 ) 2
Mit diesen erhält man
und
Ii-Ai.it!, l'i = b + db + A 2jl r 2
£1 =
l'i + £1
2
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