rungen zu jedem einzelnen Motive des Frieses einschließlich der Säu—
lenkapitelle sind für die allgemeine Ikonographie sehr wertvoll. Doch
wird nicht entschieden, in welchem Sinne diese vielerorts vorkommen—
den Einzelbilder hier zu verstehen sind, noch erklärt, mit welcher Mit—
teilungsabsicht sie hier, ohne Trennung durch Rahmen oder Säulen,
also zusammengehörig aneinander gereiht worden sind. Zu einer be—
friedigenden Zusammenfassung des Gesamtinhaltes gelangt Panzer
nicht. Darum ist ein neuer Versuch, dem Bildinhalt dieser Skulpturen
beizukommen, angezeigt.
Der Bilderfries befindet sich am Portal der genannten Kapelle; er
läuft in der Kapitellzone der Außensäulen und der Durchgangswände
auf beiden Seiten. Die Figuren sind etwa 22 em hoch, wie Werke der
Kleinkunst, mehr der Zier halber angebracht, als um die Besucher des
hohen Münsters in ihren Bann zu ziehen. Schon an der Außenseite
des südlichen Querschiffes ist der hl. Nikolaus geehrt durch seine Sitz-—
figur im Bogenfelde des Segenstores. An den Tragsteinen unter dem
Türsturz sind umstrittene Bildwerke; am westlichen Tragstein sehen
wir die sitzende Gestalt eines bärtigen Mannes, der die Arme nach
unten hält und die Hände auf die Knie legt; da büßt nicht, wie so oft,
ein „Baumeister“ für die Ratlosigkeit der Bilderklärer, sondern es ist
lediglich das Bild eines Ruhenden, dem Sinne des Westens als Ge—
gend des Abends, der untergehenden Sonne entsprechend. Gegenüber,
an der Ostseite, wo Licht und Leben herrscht, ist ein schön ausgeführter,
eindrucksvoller Manneskopf mit langem, an den Enden in Lockenspi—
ralen gedrehtem Barte, das Bild des Tages und der Tatkraft. Tiefere
Symbolik, wie man sie gern hinter jeder romanischen Darstellung sucht,
ist nicht angedeutet.
Betreten wir den Innenraum, so befinden wir uns im südlichen
Querschiff, an dessen Ostseite die ehemals gegen den Chor abgeschlossene
St. Nikolauskapelle ihren Zugang hatte, so daß sie mit dem Laienraum
vor ihr als eine Nebenkirche angesehen werden kann, wie ja dieser
Raum im Querraum des einstigen romanischen Münsters mit seinem
eigenen Tore zur Außenwelt einen Vorplatz, einen Durchgang in das
Mittelschiff bildete. Der profane Charakter dieses Vorraumes macht
den Eingang zur Kapelle zu einem Ausgang in das „Freie“, so daß in
seinem Bildwerke die freiere Symbolik der Außentore erwartet wer—
den kann. Auch an Choraufgängen wird oft die Torsymbolik, die Schei—
dung des Heiligtums von der Welt draußen wiederholt: bewacheude
Löwen, Abwehrzeichen, Weltgerichtsdarstellungen sind nicht selten da
angebracht, wo sich der Chorbogen zum Laienschiff öffnet, oder vielmehr
der Chor vom Laienraum durch einen Lettner abgetrennt war. Im
Laienraum konnten auch weltliche Versammlungen stattfinden.
Nach dem Gesagten ist die Möglichkeit nicht im Voraus auszuschlie—
ßen, daß die Bildwerke am Ausgang der Nikolauskapelle zum
Durchgangsraume nicht der Erbauung, sondern in erster Linie der
Zierde dienen, womit nicht anzunehmen ist, daß diese Zier bloß Aus—
geburt froher Laune der Steinmetzen, daß sie sinnlos sei.
Der südliche Fries beginnt, vom Beschauer aus links, mit der um
1200 beliebten Darstellung des Wolfsunterrichts; darüber sind die
Buchstaben A B Ceeingemeißelt. Das Bild wird noch eingehender be—
sprochen werden. Da es sich hier sicher um den Grammatikunterricht
handelt, liegt der Gedanke nahe, es könnten in der, Bildreihe auf die
Grammatik, die erste der sieben freien Künste, zugleich die unterste der
Stufen des mittelalterlichen Schulunterrichtes, die nächsten höheren
090