Full text: Lexikon der Astronomie

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Weltsystem (bet ionischen Philosophen, der Pythagoreer). 
ser schwimmende kreisförmige Scheibe be« 
trachtet, über welche der Himmel wie eine 
Gloeke gestürzt ist; aus dem Wasser stei 
gen die Gestirne empor beim Aufgang und 
sinken in dasselbe zurück beim Untergang, 
worauf sie wieder zu ihren Ausgangspunk 
ten zurückschwimmen. Ähnliche Ansichten 
kennen wir auch von Anaximander, 
dem Schüler des Thales. Bei ihm hat 
sich aber der halbkugelförmige Dom des 
Himmels zu einer vollen Hohlkugel er 
gänzt, an deren Innenseite die Fixsterne 
befestigt sind, und in deren Mitte die Erde 
frei schwebt, weil kein Grund vorhanden 
ist, weshalb sie sich nach der einen oder 
andern Seite hin bewegen sollte. Die 
Erde denkt sich auch Anaximander noch 
als Scheibe, nur erreicht ihre Dicke schon 
den dritten Teil des Durchmessers. Übri 
gens schloß die Sphäre des Fixsternhim 
mels nicht die Welt ab, sondern hinter ihr 
war noch Raum für Sonne, Mond und 
die fünf bekannten Planeten. Ähnliche 
Ansichten blieben im eigentlichen Griechen 
land lange Zeit herrschend, und selbst der 
viel spätere Anaxagor as, der im Zeit 
alter des Perikles in Athen lebte, betrach 
tete die Erde als einì Scheibe; die Polhöhe 
hielt er für überall gleich, aber mit der 
Zeit veränderlich. 
Inzwischen wurden, abgelegen von den 
Hauptsitzen hellenischer Kultur, von dem 
in Großgriechenland (Unteritalien) leben 
den Pythagoras und seinen Schülern 
schon früh richtigere kosmische Ansichten 
entwickelt. In der Schule des Pythago 
ras wurde zuerst die Kugelgestalt der Erde 
gelehrt, indessen nicht aus geometrischen 
Gründen, sondern weil die Kugel die voll 
kommenste Körperform sein sollte. Mit 
mathematischenGründen scheint diese Lehre 
zuerst der eleatischePhilosoph Parmeni 
de s (um die Mitte deö 5. Jahrh. v. Chr.) 
gestützt zu haben. Später finden wir bei 
Aristoteles als Hauptbeweis die kreis- 
sörmige Gestalt des Erdschattens bei Mond 
finsternissen aufgeführt. 
Das W. der Pythagoreer, dessen 
spezielle Entwickelung dein Philolaos 
von Tarent zugeschrieben wird, nimmt die 
Harmonie als Grundlage der Welt an. 
Ist doch auch Pythagoras der erste, der die 
Welt als »Kosmos«, als wohlgeordnetes 
Ganze, bezeichnet hat. Die Bildung der 
Welt begann vom Zentrum aus. Unr die 
ses lagerte sich das, was bald als F.uer, 
bald als Herd des Universums, als Altar, 
als Sitz der Götter oder als Blaß der Na 
tur bezeichnet wird, und von dem die Thä 
tigkeit im Kosmos ausgeht. Äußerlich 
wird die Welt durch die hohle Feuerkugel 
des Olympos begrenzt, in dem die Ele 
mente in voller Reinheit vorhanden sind; 
jenseit desselben liegt das Unbestimmte, 
Unbegrenzte. Uns ist der Olympos un 
sichtbar; da die Farben durch Mischung 
der Elemente entstehen, so sind seine Ma 
terie sowie sein Feuer farblos. Zwischen 
dem Olympos und dem Zentralfeuer be 
finden sich die zehn himmlischen Körper. 
Es sind ihrer zehn, weil diese Zahl den 
Pythagoreern, die überhaupt in der Zahl 
das eigentliche Prinzip des Kosmos er 
blickten, als Sinnbild der Vollendung er 
schien wegen ihrer unmittelbaren Ablei 
tung aus der heiligen Vierzahl durch die 
Gleichung 1 Z- 2 -s- 3 -si- 4 — 10. Zn 
äußerst liegt der Firsternhimmel, dann 
folgen die Planeten Saturn, Jupiter, 
Mars, Venus, Merkur, hierauf Lwnne, 
Mond und Erde, und dem Zentrum am 
nächsten läuft der Antichthon, die Gegen 
erde. Nach der Meinung des Aristoteles 
wurde dieser Körper fingiert, um die Zahl 
Zehn der himmlischen Körper voll zu 
machen. Die Gegenerde soll beständig ge 
gen das Zentralfeuer, die bewohnte Erde 
aber gegen den Olymp gewandt sein, und 
darin soll der Grund liegen, daß wir die 
Gegenerde nie sehen. Indem aber die 
letztere zwischen Sonne und Mond tritt, 
bringt sie einen Teil der Mondfinsternisse 
hervor, der andre Teil wird von der Erde 
selbst verursacht. Die Sonne ist übrigens 
nicht selbstleuchtend, sondern von glasiger 
Natur; sie absorbiert das unsichtbare Feuer 
des Olympos, materialisiert dasselbe und 
macht es dadurch für uns sichtbar. So 
kommt es, daß weder der Olympos noch 
das Zentralfeuer einen Einfluß auf die 
Mondphasen üben, diese vielmehr aus 
schließlich vou der Sonne abhängen. Der 
Firsternhimmel ist unbeweglich," die Pla 
neten aber laufen während ihrer sideri-
	        
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