Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Die Landkarte und ihr Gelände. 
auf der Ebstorfer Weltkarte (gegen Ende des 13. Jahrhunderts) oder die Gebirge auf 
einer Weltkarte in einem Sallustmanuskript aus dem 15. Jahrhundert in Genf. 1 Die 
Verzopfung der Gebirgsstränge wurde durch Farbe und Schatten auf manchen Karten 
kräftig herausgeholt, so auf Marino Sanudos (Petrus Yescontes) Weltkarte vom 
Jahre 1320 und dessen Palästinakarte vom Jahre 1321. Wurden die Gebirge dieser 
Art nur in kurzer Ausdehnung wiedergegeben, sehen sie einem „Weck“ nicht unähnlich. 
Die Backzahnform, die wir aus > der Bogenformreihe entstanden erklären, ist 
am vollkommensten abgebildet auf der Tabula Itineraria Edrisiana e Codice Pari- 
sino Asseliniano. Bei dieser Geländedarstellung (Grundform VI), auf der die ursprüng 
lichen Bogen oben ein- und auseinandergedrückt erscheinen, wird man an den Ver 
tikalschnitt von Erdschollen erinnert. Nun gibt es Bergformen, bei denen die Bögen 
überhöht sind, womöglich an der Spitze noch umlagern und das Aussehen von phry- 
gischen Mützen annehmen, wie die Alpen auf einer Karte (Sallustkarte) des 11. Jahr 
hunderts in der Leipziger Stadtbibliothek. 1 2 Ähnliche Gebilde finden sich in dem 
Liber diazographus der alten römischen Landmesser. 3 Wurden die überhöhten Formen 
weiterhin noch malerisch und schattenplastisch behandelt, wuchsen sie in die Berg 
gestalten hinein, die der Wirklichkeit näher als die andern mittelalterlichen Gelände 
bilder kamen. Das beste Bild dieser Art dürfte die Carte militaire du moyen 
âge représentant le théâtre de la guerre à l’époque des premières conquêtes de la 
Bépublique de Venise en terre ferme in der Nationalbibliothek zu Paris zeigen. 
Überblicken wir die Geländedarstellungen des Mittelalters, kann man ihnen 
eine gewisse Beichhaltigkeit und Formenfülle nicht absprechen. Die Formen hatten 
ihre Zeit, in der sie allein gültig waren; sie wurden erfunden, als die Reminiszenzen 
an antike Geländebilder teilweise verloren gegangen waren, teilweise zur Einsicht 
geführt hatten, daß hier bei den Alten nicht allzuviel zu holen war; sie mußten sich 
ausleben und überwunden werden, als der zeichnerische Griffel die Einzelform der 
Natur zu meistern und geographische Objekte ihrer Grundrißform nach abzubilden 
verstand. Dieser Umschwung wurde in der Renaissancezeit herbeigeführt. 
B. Die Greländedarstellung von der Renaissance bis zur 
Sturm- und Drangperiode in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. 
I. Grund- und Aufriß der Geländedarstellung von der Renaissance 
bis Ende des 18. Jahrhunderts. 
230. Der Ptolemäus als Prototyp der modernen Kartographie. Einen langen 
Zeitraum umfaßt die Terraindarstellung zwischen Renaissance und 19. Jahrhundert. 
Die mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Ähnlichkeit der Bergsignatur gibt 
den Karten von vier Jahrhunderten, vom 15.—18. Jahrhundert einschließlich, ein 
1 Lelewel, a. a. O., T. 35. 
2 Abbild, s. Lelewel, a. a. O., T. 9. 
3 Fr. Rudorff: Die Schriften der römischen Feldmesser. Berlin 1848 — 1852 (hauptsächlich 
T 11, T. 24).
	        
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