Die morphographische Deduktion.
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graphischen Darstellung der dritten Dimension; Drei Thesen zum Ausbau der
theoretischen Kartographie und Neue Beiträge zur Systematik der Geotechnologie. 1
An diesen geistreichen Schriften darf kein Kartentheoretiker und -praktiker vorüber
gehen. Nach eingehendem Studium wird man sie nie aus der Hand legen, ohne be
deutende Anregungen daraus geschöpft zu haben. Aus ihnen heraus entwickeln wir
auch die Grundzüge einer deduktiven Morphographie.
290. Die theoretische Kartographie auf neuen Grundlagen nach Peucker.
Nachdem es Karl Peucker gelungen war, für viele, dem wissenschaftlich durch
gebildeten Kartographen teilweise bekannte Erfahrungen und Begriffe neue und
oft recht treffende Bezeichnungen zu finden, gab er ihnen den richtigen Platz
im System der theoretischen Kartographie. Darunter versteht er ,,die Lehre
von der in geometrisch-optischem Sinne naturtreuen Darstellung des geographischen
Raumes und der Erscheinungen in ihm in objektiven, das ist (nach allen jeweils
wesentlichen Merkmalen) eindeutig anschaulichen und meßbaren Bildern“. Der
Wortlaut läßt erkennen, daß der Verfasser nicht das Ganze der kartographischen
Wissenschaft im Auge hat, sondern lediglich die theoretische Ausgestaltung der Ge
ländedarstellung, es ist ein erster Versuch einer strengem Definition der Kartographie
in ihrem Teile als „darstellende Technik oder Geotechnik“ und das Ergebnis aus
frühem Erörterungen über die Begriffe „Anschaulichkeit“ und „Meßbarkeit“ 1 2 , die
scharf auseinandergehalten werden, was bis dahin in der beschreibenden und theo-
retisierenden Kartographie nicht der Fall war. Zur Klarlegung beider Begriffe wird
eine topographische Karte herangezogen, in der, wie Peucker sagt, die zwei Dimen
sionen der mathematischen Erdoberfläche innerhalb des geographischen Zusammen
hangs in vollkommener Treue vor uns liegen. Die Treue besteht darin, daß man be
liebige Strecken nach ihrer gegenseitigen Lage und Länge unmittelbar mit den Augen
abschätzen (subjektives Augenmaß) oder mit dem Maßstab genau abmessen kann
(objektives Zahlenmaß). Mithin sind die beiden Dimensionen innerhalb ihres geo
graphischen Zusammenhangs ebensowohl anschaulich wie meßbar.
Die gleiche Anschaulichkeit und die gleiche Meßbarkeit, die der zweidimensio
nalen Kartenfläche eigentümlich sind, werden nun durch Peucker zu einem Postulat
der kartographischen Darstellung der dritten Dimension erhoben. Daß es nicht mit
Hilfe der Schichtlinien zu erfüllen ist, die nichts anderes wie die Spuren, die sie hinter
lassen haben, also weiter nichts wie „Spurlinien der Höhen“ sind, ist leicht einzusehen,
wohl aber mit Hilfe der Farben. Denn durch deren sinnreiche Aufeinanderfolge und
gesetzmäßige Abwandlung wird ein plastischer Eindruck erzielt, der, je nachdem
optische und physiologische Gesetze befolgt sind, nicht bloß anschaulich, sondern
gleichfalls höhenabschätzbar ist. Ich sage mit Fleiß „abschätzbar“ und nicht „meß
bar“. Wird der Begriff des „Meßbaren“ an das genaue (absolute) Maß eines Maß
stabs angeknüpft, ist dies schlechterdings bei der höhenplastischen Darstellung nicht
1 Die beiden ersten Abhandlungen K. Peuckers sind in der G. Z. 1901 u. 1902 erschienen
und sind außer der „Schatten- u. Farbenplastik“ die bedeutendem, die dritte i. d. Mit. d. Geogr. Ges.
Wien 1904. Ergänzt wird manche in den Abhandlungen auf tretende Problemstellung durch die „Studien
an Pennesis Atlante scolastico“ i. Mit. d. Geogr. Ges. Wien 1899 u. 1900.
2 K. Peucker: Schattenplastik u. Farbenplastik. Wien 1898, S. 4ff. — Die kartograph.
Darstellg. der dritt. Dimension. G. Z. 1901, S. 34, 35.
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