Full text: Paradoxien des Unendlichen

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Geist und Materie. 
§ 55- 
5. Doch seit Descartes erhob sich noch ein neues 
Vorurteil in den Schulen. Indem er (wohl aus sehr löb 
licher Absicht) den Unterschied zwischen denkenden und 
nichtdenkenden Substanzen (Geist und Materie, wie 
er sie nannte) nicht hoch genug glaubte ansetzen zu können, 
verfiel er auf jene dem gemeinen Menschenverstände so 
auffallende, ja fast undenkbare Behauptung, daß ein gei 
stiges Wesen nicht nur nicht als ein ausgedehntes, d. h. 
aus Teilen bestehendes, sondern nicht einmal als irgendein 
im Raume befindliches, also auch nur einen einzigen Punkt 
im Raume durch seine Gegenwart erfüllendes Wesen an 
gesehen werden dürfe. Da nun in späterer Zeit Kant gar 
so weit ging, den Raum (nicht minder wie die Zeit) für 
ein paar bloße Formen unserer Sinnlichkeit zu erklären, 
denen kein Gegenstand an sich entspreche; da er zwei 
Welten, eine intelligible der Geister- und eine Sinnen- 
welt, einander geradezu entgegensetzte; so ist es nicht zu 
bewundern, wenn sich das Vorurteil von der Unräumlich 
keit der geistigen Wesen in Deutschland wenigstens so tief 
festsetzte, daß es bis auf den heutigen Tag in unseren 
Schulen noch besteht. Hinsichtlich der Gründe, durch die 
ich dieses Vorurteil bekämpft zu haben glaube, muß ich 
auf andere Schriften, vornehmlich auf die Wissenschafts- 
lehre und Athanasia verweisen. So viel wird jeder zu 
gestehen müssen, daß die von mir aufgestellte Ansicht, 
zufolge der sich alle geschaffenen Substanzen aus einem 
gemeinschaftlichen Grunde wie in der Zeit so auch im 
Raume befinden müssen, und aller Unterschied in ihren 
Kräften ein bloßer Gradunterschied ist, sich schon durch 
ihre Einfachheit vor jeder anderen, die man bis jetzt ge 
kannt, empfehle. 
§ 56., 
6. Bei dieser Ansicht fällt auch das große Paradoxon 
hinweg, das man bisher noch immer in der Verbindung
	        
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