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Je breiter die Verdunstungsflächen sind, desto mehr mit Feuchtigkeit gesättigt
ist die Luft, wenn sie sich der Leeseite der Fläche nähert, desto geringer wird also dort
die Verdunstung sein. Schmale quer zur Windrichtung liegende Kämme und Plateaus
zeigen daher stärkere Verdunstung als breite in der Windrichtung liegende Erhebungen.
Trifft der Wind schief auf den Boden, so dringt er in dessen obere Schichten ein, bewirkt
dort stärkeren Luftwechsel und steigert die Verdunstung zum Höchstwert.
Bei verschiedener Lage des Terrains gegen die Himmelsrichtungen ist
nach den Beobachtungen von Wollny der südliche Hangam wärmsten, dann folgt
die Ost- und Westseite; die nördliche Lage zeigt die niedrigste Temperatur. Die
Südhänge sind um so wärmer, die Nordhänge um so kälter, je größer die Neigung des
Terrains gegen den Horizont ist; der Einfluß letzterer auf die Erwärmung der Ost-
und Westseite ist vergleichsweise bedeutend geringer. Die Temperaturunterschiede
zwischen Nord- und Südhängen sind bedeutend größer als diejenigen zwischen Ost- und
Westhängen. In Rücksicht zeigen hierauf sich die nördlichen Hängeamfeuchtesten,
dann die westlichen, hierauf die östlichen, während an den südlichen sich die geringsten
infiltrierten Wassermengen vorfinden. Im übrigen ist der Boden der Hänge um so
feuchter, je geringer die Neigung derselben.
Die Verdunstungsmengen richten sich bei verschiedener Lage des Bodens ebenso
nach der Himmelsrichtung, wie die Erwärmung des Bodens durch die Sonne und
ändern sich selbstverständlich der Größe nach mit dem Breitegrade.
Die geringste Verdunstung hat man über der nördlichen Halbkugel auf steilen
Nordhängen, die größte Verdunstung auf Südhängen, und zwar in unseren Breiten dann,
wenn ihre Neigung zwischen 20 und 30 Grad beträgt. (Vgl. auck Ramann, Bodenkunde
S. 512).
Die vielfach behauptete Abnahme der Wasserführung der Flüsse,
Seen, Gletscher dürfte, wenn sie nicht einer größeren klimatischen Periode, die wır noch
nicht übersehen können, entspricht, zum großen Teil darauf zurückzuführen sein, daß
durch die gerade in den letzten hundert Jahren besonders zahlreichen Entwässerungen,
Entsumpfungen und Flußkorrektionen (namentlich Laufverkürzungen und Eindeichun-
gen), deren teilweise recht problematischer Wert mehr und mehr erkannt wird, eine Stei-
gerung der Hochwässer und ihr entsprechend aber mehr in die Augen fallend eine Ver-
ringerung der Mittelwasser- und Kleinwasserführung unserer Flüsse bewirkt wurde, die
sich nur durch eine rationellere Wasserwirtschaft wird beheben lassen.
Eine Folge aller dieser Tatsachen ist denn auch in unserem Klima der geringe
Einfluß der Sommerregen auf Quellenergiebigkeit und das im
Sommer und Herbst fast stets bedeutende Nachlassen der Grund-
wasserausflüsse. Die auf und in den Boden gelangenden flüssigen Wasser |
werden unter dem Einflusse der Sommer-Sonnenwärme zum größten Teile wieder in den |
gasförmigen Aggregatzustand zurückgeführt, zum Teile von der in dieser Zeit sehr nah-
rungsbedürftigen Pflanzenwelt in flüssigem Zustande aufgesaugt und zu ihrem Aufbau
verwendet. Beide Umstände verursachen, wie wir gesehen haben, einen ganz außer-
ordentlich großen Abgang an dem im Boden befindlichen bezw. an dem in denselben
eindringenden flüssigen Wasser und ihr Einfluß ist um so größer, je größer das Sät-
tigungsdefizit der Außenluft; er ist sichtbar an den Quellen und besonders deut-
lich, wenn man einen kühlen und einen heißen Sommer, beide mit derselben Regenmenge,
vergleicht. “
Zum Schluß sei noch erwähnt, daß salzfreies Wasser lebhafter verdunstet als salz-
haltiges.