ne nenn
317
Danach rührt die erste Lehre über die Entstehung des Grundwassers, die uns in der
Geschichte begegnet, von Plato her. Nach seiner Anschauung entstammen die sämtlichen
Gewässer des Landes dem Ozean. Von ihm aus dringen sie in das Innere der Erde, um dort
als Quellen zutage zu treten und schließlich wieder zu ihrem Ursprung zurückzukehren.
Aristoteles nimmt an, daß die in den Höhlen der Gebirge enthaltene Kälte die
Luft zu flüssigem Wasser verdichte, dieses sinke zuBoden und fülle im Bergesinnern ausgedehnte
Seen; durch diese wurden Quellen und Bäche gespeist.
Thales von Milet ist der Anschauung, daß das Wasser von den Winden in die
Erde hineingetrieben und durch die Schwere der darauf drückenden Gesteine wieder zum
Emporsteigen in die Berge gezwungen werde.
An Thales schloß sich Lueretius Carus an, der einen Kreislauf des Wassers
zwischen Meer und Quelle annahm. Den Gegensatz zwischen dem süßen Quellwasser und
dem salzigen Meerwasser erklärt er so, daß das Meerwasser bei seinem Emporsteigen an die
Erdoberfläche durch Filtration seinen Salzgehalt verliert. Der heutigen Infiltrationstheorie
am nächsten kommt Markus Vitruvius Pollio. Er lehrt die Entstehung des Grundwassers
und Quellwassers aus dem Regen- und Schneeschmelzwasser. Er hat bereits eine Vorstellung
von wassertragender Sohle, welche das absinkende Wasser aufhält und es zwingt seitlich
abzufließen.
Nachdem im Mittelalter mancherlei zum Teil phantastische Versuche gemacht worden
waren, die Entstehung des Grundwassers und der Quellen zu erklären, war es in der neueren
ZeitMariotte, welcher im Gegensatz zude la Hire durch Messungen und Beobach-
tungen der Infiltrationstheorie am Ende des 17. Jahrhunderts zum Siege verhalf. Noch weiter
wurde die Mariottesche Theorie ausgebaut durch die Arbeiten von de la Mettrie mit
seiner 1797 erschienenen Theorie der Erde.
Im Jahre 1822 veröffentlichte Christian Käferstein seine Theorie, wonach die
Erde als eine Art organisches Wesen angesehen wird, das bei seinem Stoffwechsel Wasser-
dunst, Kohlensäure und Stickstoff ausstößt und als Nebenprodukt dieses Stoffwechsels
Wasser erzeugt.
Nowack (vom Ursprung der Quellen, 1879) nimmt jenseits der festen Erdrinde
zwischen dieser und dem feuerflüssigen Erdkern einen tellurischen Hohlraum an, dem vom
Grund der Meere aus durch die Risse und Spalten der Erdrinde das Wasser zufließen soll, das
dann von den gewaltigen Dampfspannungen, die in diesen tellurischen Hohlräumen herrschen,
gegen die Erdoberfläche gedrückt werde und so das Grundwasser bilde.
Nowack ist zu seinen Anschauungen durch Beobachtungen an Mineralquellen gekom-
men. Es soll nicht geleugnet werden, daß die von ihm vertretene Theorie in einzelnen Fällen
richtig sein kann, daß es also juveniles Wasser gibt (Karlsbader Mineralquellen (?)), es fehlt aber
jeder Beweis, daß diese Theoriein dem behaupteten Umfan g richtig sein muß.
Eine ähnliche Anschauung wie von Nowack ist neuerdings von Wink el) verfochten worden.
Gegen die Lehre Nowacks hat sich insbesondere Lubberger in seiner Theorie der Quell-
bildungen und in letzter ZeitMezger gewandt, dem besonders die offensichtliche Abhängig-
keit der Grundwasserschwankungen von den Vorgängen in der äußeren Atmosphäre gegen
Nowack zu sprechen scheint.
Damit ist in den Hauptlinien die Entwicklung gezeichnet, welche bis zu dem heu-
tigen Stande der vielumstrittenen Frage geführt hat. Man kann diesen Stand zunächst
negativ dahin kennzeichnen, daß die frühere Lehre von der ausschließ.
lichen Bedeutung der Infiltration für die Grund- und
Quellwasserbildung nicht mehr in vollem Umfang festge-
halten werden kann. Das Verdienst, die Anregung zu neuen Forschungen
gegeben zu haben, gebührt unzweifelhaft dem Frankfurter Arzt Dr. Volger, welcher
auf der 18. Hauptversammlung des Vereins Deutscher Ingenieure?) einen energischen
wenn auch nicht vernichtenden Stoß gegen die Lehre „Alles Wasser in der Erde rührt
her vom Regenwasser‘ geführt hat. Man kann seine Anschauung als die Lehre von der
1) Zeitschr. f. d. ges. Wasserwirtschaft 1912, 8. 41.
?) Die wissenschaftliche Lösung der Wasserfrage, Zeitschr. d. Ver. d. Ing. 1877 und 1890;
ferner Meteorologische Zeitschrift 1887. Erste Veröffentlichung: Zeit und Ewigkeit 1857,
u rn en en
ee