Full text: Vorkenntnisse und Hilfswissenschaften, die Hydrologie, die Wassergewinnung (2,a)

  
    
    
  
  
  
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
  
  
  
    
  
    
Von großer Bedeutung scheinen die Schwankungen des Grundwasserstandes für 
hygienische Verhältnisse menschlicher Ansiedlungen zu sein. Es war Petten- 
kofer, welcher zuerst bezüglich der Münchner Verhältnisse darauf hinwies. Nach den bis- 
herigen Beobachtungen scheint weder ein dauernd tiefer, noch vor allem ein dauernd 
hoher Grundwasserstand für den Ausbruch von Infektionskrankheiten günstig zu sein, 
sondern ihr Auftreten scheint insbesondere mit einem plötzlichen starken 
Sinken desGrundwassers in Zusammenhang zu stehen. Man kann sich das so vorstellen, 
als ob die Bakterien, welche erfahrungsgemäß in den obersten feuchten Schichten des 
Bodens in ungeheurer Menge verbreitet sind und wohl an den feuchten Bestandteilen 
des Bodens haften, bei in die Tiefe zurücksinkender Feuchtigkeit sich von den Boden- 
teilchen ablösen könnten. Außerdem besinnt beim Sinken des Grundwassers die vorher 
hintangehaltene Zersetzung fäulnisfähiger Stoffe im Boden einzutreten. Pettenkofer 
dürfte jedenfalls für München gezeigt haben, daß der Typhus mit sinkendem Grundwasser- 
stand zunimmt und bei tiefstem Stand seine größte Entwicklung erreicht. Doch ist man 
in dieser Beziehung zu allgemein gültigen Ergebnissen noch nicht gekommen. Daß auch 
künstliche Senkungen des Grundwassers zu ähnlichen Erscheinungen Anlaß geben können, 
ist an sich wahrscheinlich und auch beispielsweise gelegentlich einer großen Kanali- 
sationsausführung in London zutage getreten. 
$ 48, Grundwasserhorizontalen, Grundwassergefälle und Grundwasser- 
geschwindigkeit. 
1. Natürliche @rundwasserhorizontalen. Die Bedeutung der natürlichen Grund- 
wasserhorizontalen liest zunächst darin, daß die auf ihnen errichteten senkrechten Tra- 
jektorien ohne weiteres die Strömungsrichtung des Grundwassers angeben. Man erhält 
die Horizontalkurven des Grundwassers durch Interpolation und Extrapolation aus 
zahlreichen möglichst gleichzeitig gemessenen Grundwasserspiegeln. Bei den kleinen 
in Betracht kommenden Gefällswerten muß die Messungsgenauigkeit eine hohe sein. 
Für große Gebiete und zur Übersicht sowie bei starken Grundwassergefällen genüst es, die 
Horizontalen in 1 bis 1, Meter Höh en abstand in die Pläne einzutragen, bei eingehen- 
derer Bearbeitung eines Feldes oder geringen Gefällen wird man bis auf 0,2 ja 0,1 Meter 
Höhenabstand heruntergehen müssen. 
Die Grundwasserhorizontalen werden in ihrer gegenseitigen Lage und Entfernung 
beeinflußt.: 
1. Von der wechselnden Grundwassermenge und den Wasserständen benachbarter 
offener Gewässer. 
2. Von der Beschaffenheit, Ablagerungsrichtung und Durchlässigkeit des Boden- 
materials in horizontalem und vertikalem Sinn. 
3. Von der Neigung der grundwassertragenden undurchlässigen Sohle oder undurch- 
lässiger Zwischenschichten. 
Eine eigentümliche Strömungsrichtung des Grundwassers zeigt der Fiener Bruch 
zwischen dem Nordabhang des Fläming und der Stadt Genthin. Die Talniederung des 
Fienerbruchs stellt eines der großen norddeutschen diluvialen Urstromtäler dar und es 
war von vornherein anzunehmen, daß die Bewegung des Grundwassers im Sinne des 
Talgefälles erfolge. Nach den Aufnahmen A. Thiems jedoch, welche sich über ein Gebiet 
von 300 qkm erstreckten!) verläuft der Grundwasserstrom auf dem oben bezeichneten 
1) Gesundheitsingenieur 1910, No. 21. 
 
	        
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