Full text: Reformation des Himmels

156 
„Niemand soll Dich erreichen, so lange er sich 
noch Vorwürfe macht, seinen guten Verstand und sein 
gesundes Hirn aufgegeben zu haben.“ 
Ich glaube, dass er damit sagen wollte, man müsse 
notwendigerweise erst auf die Besonnenheit des Urteils 
und der Klugheit verzichten und dürfe niemals an die 
Unsicherheit und Treulosigkeit der Zeiten denken, nicht 
achten auf das Zweifelhafte und Ungewisse der Ver 
sprechungen des Meeres, nicht glauben an den Himmel 
und nicht bauen auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, 
sich nicht kümmern um Ehre und Schande, um gutes 
Wetter oder Sturm, sondern man müsse alles der blinden 
Fortuna anheimstellen, um sie zu erlangen. „Hüte Dich,“ 
sprach er, „jemals Dich zu jenen zu schlagen, die mit 
allzuviel Überlegung und Urteilskraft nach Dir suchen, 
lass Dich am schwersten von denen auffinden, die Dir 
mit den meisten Fanghaken, Schlingen und Fallstricken 
der Vorsicht nachstellen, sondern zeige Dich für gewöhnlich 
da, wo die dümmsten und seichtesten Thoren und die 
sorglosesten Tröpfe sich aufhalten, und überall, wenn Du 
auf Erden weilst, scheue den Weisen wie das Feuer, 
und mach Dich lieber gemein und befreundet mit halb- 
■ tierischen Leuten und halte immer denselben Kurs wie 
die Göttin des Glücks. J ) 
Saulin: Es ist eine gewöhnliche Erfahrung, dass die Weiseren 
nicht auch die Reicheren sind, sei es nun, dass sie sich 
b Die obige Äusserung über die Entstehungsweise und Erwerbs 
möglichkeit des Reichtums enthält eine herbe Kritik der sozialen Miss 
stände der Menschheit, welche zu bessern menschliche Sittlichkeit und 
Geisteskraft bisher und vermutlich noch für lange Zeit vergeblich sich 
abmüht. Bruno zeigt hier eine sozialistische, wenn auch keineswegs eine 
roh - kommunistische Tendenz. Die Verteilung des Besitzes regelt sich 
bei uns leider nicht so sehr nach Verdienst und Arbeit, als nach blinden 
Zufällen des Glückes und der Geburt, wo nicht gar zu Gunsten schlechter 
Gemütsart, welche mit Unehrlichkeit, List und direkter und indirekter 
Gewalt die Arbeitsamkeit und Ehrlichkeit in der Güteraneignung über 
vorteilt. Nur einer allmäligen, allgemeinen sittlichen und intellektuellen 
Vervollkommnung der menschlichen Gesellschaft wird es gelingen, dieses 
zweifellos freilich nicht in göttlicher oder natürlicher Notwendigkeit, sondern 
allein in der zufälligen sozialen Verfassung wurzelnde Missverhältnis aus 
zumerzen. Von gewaltsamen, wenn auch von idealster Tendenz geleiteten, 
Sozialrevolutionären Neuerungen ist, wie die Geschichte genugsam lehrt, 
schwerlich eine dauernde Reformation in dieser Richtung zu erwarten.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.