372 Parallaxe (Allgemeines).
Punkten A und B (Fig. 1) nach ein
und demselben Punkt 8 behende gerade
Linien an dem letztern miteinander ein
schließen, oder, wie man statt dessen sagen
Fi», i.
kann, der Winkel, unter welchem die Länge
AB, von 8 aus gesehen, erscheint. Dieser
Winkel ist im allgemeinen um so kleiner,
je weiter 8 von den Punkten A und B
entfernt ist, und um so größer, je größer
AB ist; seine Größe hängt aber außer
dem auch noch ab von der Lage des Punktes
8 gegen die beliebig verlängerte Gerade AB,
und es wird dieser Winkel nur klein sein,
wenn A8 oder BS nahezu in die Rich
tung von AB oder in die Verlängerung
dieser Linie fällt. Bewegt man sich nun
von A nach B, so dreht' sich die GesichtS-
linie A8 um den Winkel ASB, und wenn
sich in weiter Ferne hinter 8 ein Hinter
grund befindet, so wird sich 8 scheinbar
auf diesem fortbewegen, aber in entgegen
gesetzter Richtung als der Beobachter'auf
AB. Geht dieser nicht in gerader, sondern
in irgend einer krummen Linie von A nach
B , so wird auch der Punkt 8 auf dem
Hintergrund eine krumme Linie beschrei
ben. Derartige Wahrnehmungen können
wir alltäglich machen: wenn wir auf der
Landstraße gehen, so bleiben die am Rande
der Straße stehenden Bäume schnell hin
ter uns zurück, die weiter entlegenen Ge
genstände aber rücken langsam auf dem
fernen Hintergrund nach rückwärts, und
aus der größer» oder kleinern Geschwin
digkeit dieses Zurückweichens vermögen
wir zu erkennen, ob ein Gegenstand näher
oder ferner ist; denn, wie bereits erwähnt,
es ist diese scheinbare Bewegung eines Ob
jekts um so größer, je näher dasselbe liegt,
vorausgesetzt, daß die miteinander ver
glichenen Objekte nach derselben Richtung
liegen.
Was wir so auf der Erde beständig
wahrnehmen, das beobachten wir auch am
Himmel. Hier bildet die scheinbare Hohl
kugel, auf welcher uns die Fixsterne er
scheinen, den Hintergrund, und wir er
blicken infolge der P.' den Mond und die
nnS benachbarten Planeten an einer an
dern Stelle des Himmels, je nach dem
Ort, von dem aus wir beobachten: die
scheinbarenOrte dieser Himmelskörper än
dern sich mit der Lage des Beobachtungs
orts. Für den einen Beobachter wird ein
Fixstern vom Mond verdeckt, während ein
andrer den Stern noch neben dem Mond
erblickt. Ebenso steht für den einen zur
Zeit des Neumonds, wenn der Mond zwi
schen die Erde und die viel weiter entfernte
Sonne tritt, der Mond als dunkler Kör
per vor der Sonne, für ihn ist die Sonne
ganz oder zum Teil verfinstert, während
dem andern Beobachter die ganze Son-
nenscheibe ihr Licht zusendet oder doch für
ihn nur ein kleinerer Teil vom Mond be
deckt erscheint. Wenn ferner Merkur oder
Venus zwischen Erde und Sonne tritt
und als schwarzer Punkt vor der Sonnen
scheibe vorüberzieht, so erscheint die Bahn
des Planeten für den einen Beobachter
dem Mittelpunkt der Sonne näher, für
den andern ferner; für jenen beschreibt
der Planet eine lange Sehne der Sonnen
scheibe, für diesen eme kürzere; für jenen
ist daher die Dauer des Merkur- oder
Venusdurchgangs länger, für diesen kür
zer, und ebenso sind die Zeiten des schein
baren Eintritts des Planeten in die Son
nenscheibe und seines Austritts aus der
selben verschieden für verschiedene Beobach-
tungspnnkte.
In den astronomischen Tafeln wer
den die geozentrischen Örter der Him
melskörper angegeben, d. h. die Punkte
der Himmelskugel, an denen ein im Erd
mittelpunkt stehender Beobachter die be
treffenden Körper sehen würde. Will man
daraus den Ort finden, welchen ein solcher
Körper für einen Beobachter an irgend
einem Punkte der Erdoberlläche hat, so
muß man, wenigstens beim Mond und