Full text: Die geistige Botschaft romanischer Bauplastik

zwei Löwen, des Hirten mit zwei Schafen, Menas mit zwei Kamelen. 
Das Drachenpaar bedeutet eine Menge von teuflischen Feinden. Was 
sollen sie hier? Bei aller Hervorhebung ihrer Wildheit sind sie nicht 
Hauptsache dieses Bildes, sondern es handelt sich viel mehr um jene 
Menschen, die sich an sie hängen. Davon sofort! 
Die Sünder 
Die in das Drachenbildwerk eingefügten menschlichen Gestalten 
zeigen keine wesentliche Unterscheidung, die auf verschledene Bedeutung 
schließen ließe. Es sind zwei, womit eine unbestimmte Mehrzahl ange— 
sagt wird. Aus der höheren und niedrigeren Anbringung ist keine 
Bildabsicht zu schließen, sie ergibt sich aus der Raumfrage. Die eigen— 
artige Darstellung, die nur Köpfe gibt, von denen unmittelbar die 
weitausgebreiteten Arme ausgehen, ist eine raumsparende Kurzfassung, 
die z. B. auch an der Apsis der romanischen Kirche zu Schöngrabernu 
in Niederösterreich über den Fensteröffnungen des othen und süd— 
lichen Bilofeldes vorkommen. Da dient dieselbe Kurzfassung dagu, die 
Darstellung an die Rundbogen anzuschmiegen. Dort bedeutet am öst— 
lichen Fensterbogen (gegen den Friedhof hin) der häßliche Kopf den 
Tod — Teufel; die von ihm ausgehenden Arme, weit ausgebreitet, 
halten an Stricken um die Hälse je einen Menschen; diese „Gefangenen 
des Todes“ hängen beiderseits des Fensters senkrecht herab. Uber dem 
Fenster war es, wie in unserem Bildwerk, unmöglich, die ganze Men— 
schengestalt anzubringen. Die zwei Köpfe sind langbartig und bezopft. 
Der Gesichtsausdruck macht nicht den Eindruck von Gutmütigkeit oder 
gar Heiligkeit, den Erklärer ihrer Deutung zulieb empfunden haben. 
Gerade diese Art von Schnurr- und Kinnbärten kehrt immer wieder, 
wo die romanische Plastik dämonische Wesen vorführen will. Um die 
Zwangsvorstellung von „Widdermenschen“ durchzusetzen (Keppler), 
mußten die langen, nur am Ende eingerollten Zöpfe für Widderhörner, 
allerdings von unglaublicher Form, angesehen werden. Die gleichen, 
langen, am Ende eingeringelten Zöpfe trägt der (unerklärte) m 
kopf an der Bestiensäule in der Freisinger Domkrypta. Als Modetracht 
der Zeit um 1200 sind die langen Zöpfe bekannt (Fastenau, S. 7). Im 
Bogenfeld des Westportals von Millstatt trägt Ehristus solche zopf— 
artige Locken. Samson wird mit langen Zöpfen abgebildet. In Zöpfe 
wurden die langen Haare geflochten, damit sie bei der Nachtruhe nicht 
zu sehr sich verwirrten. Am St. Jakobsportal in Regensburg, mitten 
n der heraldisch rechten Bildfläche, wird die Sommersonne mit offenem 
Haar, von der Wintersonne mit Söpfen (Winterschlaf) unterschieden 
Schottentor, S. 29 f.). Im Chor des Churer Doms sind zwei Sirenen 
einander gegenüber gestellt: an der Nordwand eine Sirene mit Zöpfen 
als Verderberin (am Sünderkapitell), an der Südwand als Sinunbild 
des Taufwassers mit offenen Haaren. Zöpfe spielen eine verdächtige 
Rolle in Dämonenaberglauben; Kämme dagegen sind ein uraltes Ab— 
wehrzeichen, als Amulett ans Pferdekummet gehängt. So dienen die 
Zöpfe oft als Andeutung dämonischer, der Finsternis angehöriger We— 
sen, in unserem Falle sündiger Menschen. Die Arme des oberen Men— 
schen, über dem Rücken des heraldisch linken Drachen, greifen weit aus, 
um sich einerseits am Halse, andererseits am Schwanze desselben Dra— 
chen festzuhalten. Der andere Mensch hat unter dem Schwanz des rech— 
ten Drachen und unter den Hinterbeinen des Einhorns Platz gefunden 
und klammert sich mit ebenso ausgestreckten Armen an den Schwanz 
dieses Drachen und an ein Vorderbein des Einhorns. Von einem 
Kampfe der beiden gegen die Drachen, von Riesenkraft, die Drachen 
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