Full text: Die geistige Botschaft romanischer Bauplastik

Die Figuren an dem äußeren Eingang 
Zwei, Bildwerke flankieren den Eingang durch den Vorbau. Sie 
sitzen auf der Deckplatte der Fonen an der nach Innen gekehrten Seite. 
Ihnen entsprachen an gleicher Stelle der Außenseiten Figuren, von 
denen nur mehr Ansatzspuren am Gewände vorhanden sind. Was die 
fehlenden Stücke vorgestellt hätten, kann nur aus einer vorauszusetzen— 
den Zusammengehörigkeit aller vier ursprünglich angebrachten Bilder 
mit Wahrscheinlichkeit erschlossen werden. Für die bequeme und des— 
halb beliebte Annahme, es handle sich „gewiß, sicher, zweifelsohne um 
Denkmäler“, die nördlich vorhandene sei der Baumeister, die südliche 
Gestalt der Bauherr oder Verwalter, außen seien die Stifter zu erwar— 
ten, fehlt jeder Grund und Anlaß. 
Am Vorbau hat die Deutung der Konsolenreihe ergeben, daß der 
Gedanke herrscht: Draußen, außerhalb der Kirche ist das Bereich des 
Fürsten dieser Welt. Dieser Idee unterstehen auch die Figuren am Ein— 
gang. An Portalen romanischer Kirchen sind oft Bilder des weltlichen 
Lebens, die Arbeiten und Torheiten der Weltleute angebracht, biodliche 
Darstellungen der Monate mit dem Tierkreis, die Jahres- und Tages— 
zeiten. Fromme Schriftsteller reden von den Alltagssorgen, die man 
beim Betreten des Gotteshauses draußen ablegen soll und nach dem 
Gottesdienst in Gottes Namen wieder auf sich nehmen muß. In dieser 
Gedankenrichtung können die zwei noch vorhandenen Figuren dahier 
am ehesten verstanden, die fehlenden erdacht werden. 
Die nördliche Figur CTietze, Abb. 68), bartlos, mit langem 
Kittel, schweren Schuhen, trägt in der rechten Hand ein Beil an die 
Schulter gelehnt, hebt die linke an den Kopf empor (nicht im Trauer— 
gestus an die Wange); der Mann berührt fast den Scheitel und es 
scheint, er ziehe die Haube ab; er blickt auf, als höre er die Vesperglocke, 
die ersehnte Stunde des Feierabends. Müde ist Miene und Haltung. 
Daiesüdlische Figur (Tietze, Abb. 69 und 70) trägt ein am Hals— 
ausschnitt verziertes Untergewand und einen Mantel, dessen rechte 
Hälfte die über den Schoß gelegte linke Hand nach vorne zieht, während 
der rechte Arm die Vrust überquert, ohne den in den Mantel gehüllten 
linken Arm fest anzufassen. Es ist ein Bild der Lässigkeit, Untätigkeit, 
Ruhe (ähnlich der Gesimsfigur in Weißendorf, Karlinger, Tafel 141). 
Feierabend, und Ruhe, Abend und Nacht sind wohl die Titel dieser zwei 
Figuren, die fehlenden Außenbilder wären Morgen und Mittag. Die 
Zugehörigkeit dieser Eingangsfiguren zum Werke des 18. Jahrhun— 
derts ist (nach Tietze) gewiß. 
Am Riesentor 
Das Bogenfelddes Riesentors. Zwei Engel halten die 
Mandorla, in der Christus mit Kreuznimbus und Sternen um das 
Haupt, die Rechte segnend erhebend, in der Linken das Buch haltend, 
auf dem Regenbogen thront. Dieses Bild geht auf die Stelle in der Apo— 
stelgeschichte zurück (4, 11), wo die zwei „Männer in weißen Gewän— 
dern“ sprechen: „Dieser Jesus ... wird ebenso wiederkommen, wie ihr 
ihn sahet gen Himmel fahren. Er wird kommen auf den Wolken des 
Himmels, mit großer Macht und Herrlichkeit (Matth. 24, 30; 26, 64; 
Mark. 14, 62), zu scheiden und zu richten (Matth. 25, 31 ff.), jeglichem zu 
vergelten nach seinen Werken“ (Offb. Joh. 22, 12). Das ist das typische 
Bild des Weltgerichts, das Thema der romanischen Westportale. Das 
linke Bein der Christusgestalt ist nackt, in romanischer Zeit undenkbar, 
wohl erst in der Spätgotik herausgearbeitet (Tietze, S. 99).
	        
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