Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Die Zahl als Hilfsmittel in der geographischen Forschung. 
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den Dienst der mannigfachen Zweige der physikalischen und biologischen Erdkunde 
und Anthropogeographie.“ 1 
Jede Wissenschaft drängt letzten Endes dahin, ihre Ergebnisse kurz und klar 
zusammenzufassen. Die Geographie ist, wie gleichfalls im ersten Bande der Karten 
wissenschaft näher dargelegt wurde, den andern Wissenschaften gegenüber in großem 
Vorteil, insofern sie ihre Schlußergebnisse nach den mannigfaltigsten Richtungen 
hin im Kartenbilde festhalten kann, wodurch das Gesamtergebnis verständlicher, 
anschaulicher und plastischer wird. Ein Gedankenkomplex, der nicht bloß das Resultat 
von Induktion und Deduktion ist, sondern auch durch die sinnliche Wahrnehmung 
auf Grund des Kartenbildes gestützt wird, heftet sich der Vorstellungswelt unserer 
Psyche viel dauerhafter ein als der, der lediglich nach der ersten Weise gewonnen ist. 
Ein weiterer Vorteil erblüht der angewandten Karte gegenüber der rein textlichen 
Zusammenfassung darin, daß sie direkt wieder der wissenschaftlichen Forschung 
neue Impulse gibt, neue Kombinationen anregt und neue Gedankenkomplexe auslöst. 
Am meisten wird die angewandte Karte Erfolg haben, wenn sie mehr die Wir 
kungen als die Ursachen irgendeines Phänomens zu veranschaulichen strebt. Letztere 
dürfen nicht die Hauptsache der angewandten Karte sein. Wenn sie unter Um 
ständen sich als ein zweites, als ein begleitendes Moment im Kartenbilde wieder 
spiegeln, soll es kein Fehler sein. Doch davon später mehr. 
45. Die Zahl im Dienste der geographischen Forschung. Wenn die Geographie 
sowohl Natur- wie Geisteswissenschaft ist, müssen ihr Forschungsmethoden und 
Betrachtungsweisen zur Verfügung stehen, die beiden Wissenschaftsgruppen eigen 
tümlich sind. Vor allem hat sie mit den Naturwissenschaften die Beobachtung ge 
meinsam. 1 2 Sie hat aber noch ein Mehr, wenn wir den mathematischen Kalkül in die 
Wagschale werfen, allerdings nicht in dem Sinne der abstrakten Wissenschaften 
(Aug. Comte), daß die eigentlich geographischen Erscheinungen, die oft zu verwickelt 
sind, einer mathematischen Behandlung unterliegen, wie es auch A. Hettner bereits 
zurückgewiesen hat, sondern in der Verwendung der Zahl zum Ausmessen geo 
graphischer Werte und zur Gewinnung neuer Werte. 
Einschränkend muß hier gleich hervorgehoben werden, daß die Zahl nicht an 
sich ein Hilfsmittel der Geographie ist; erst auf Grundlage des von dem Geographen 
geschaffenen Kartenmaterials oder gewisser Reihenbeobachtungen in der Natur und 
Reihenerhebungen im Gebiet der menschlichen Wirtschaft und Gesellschaft tritt sie 
in ihr Tätigkeitsgebiet und wird für die Geographie ein Hilfsmittel in besonders an 
gewandten Fällen. Damit soll sie in ihrer Bedeutung durchaus nicht auf ein Hilfs 
mittel zweiten Grades herabgedrückt werden, denn auch der Geograph ist sich aus 
tiefster Überzeugung bewußt, daß „die Kunst des Messens den Menschen die Welt 
unterwirft“ (Mommsen), und daß seine Wissenschaft gerade in der Zahl als Hilfs 
mittel einen großen Vorzug andern und verwandten Wissenschaften gegen 
über, wie der Historie, Ethnographie, Geologie, voraus hat, wenn auch diese Dis 
ziplinen in neuerer Zeit für gewisse Belange nicht mehr auf die Zahl verzichten wollen. 
Die Induktion im Verein mit der Deduktion geben für die Geographie die Me 
thoden 3 , d. h. die Wege und Mittel, allgemein geographische Gesetze zu finden. 
1 H. Wagner: Zur Geschichte der Gothaer Kartographie. P. M. 1912, S. 13. 
2 M. Eckert: Die Karten Wissenschaft, I, S. 9. 
3 M. Eckert, a. a. 0., S. 11 — 13.
	        
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